Axelos, die Public Private Partnership zwischen Capita und dem britischen Cabinet Office, hat im Juli 2014 (£35.00, 125 Seiten) einen neuen Leitfaden herausgegeben: Integration PRINCE2®. Dies ist als Ergänzung zu dem Standardwerk „Erfolgreiche Projekte managen mit PRINCE2®“ gedacht. Es beinhaltet viele praktische Ratschläge, um den Einsatz von PRINCE2 erfolgreich zu gestalten. Hier soll ein kurzer Überblick über den Inhalt gegeben werden.
Die Kapitel
- Introduction
- Tailoring PRINCE2 for a project
- Embedding PRINCE2
- PRINCE2 integrated for a small, medium and large project
- Appendix A: Outline of PRINCE2
- Appendix B: Glossary of new or amended terms
Den Kern bilden die Kapitel Tailoring und Embedding, die dann zusätzlich noch einmal in drei Anwendungsbeispielen verdeutlicht werden.
1 Einführung
In der Einführung wird betont, dass der Ratgeber nicht das PRINCE2-Manual ersetzt. Er wendet sich an Professionals aus dem Projektmanagement, die PRINCE2 noch nützlicher in ihrer Organisation einsetzen wollen: Projektmanager, Teammanager, Projektsicherer, Programmsicherer, Qualitätssicherer, Lenkungsausschussmitglieder, Projektoffice-, Programmoffice- und Portfolioofficemitarbeiter (P3O), Programmmanager, Portfoliomanager sowie Mitarbeiter eines Center of Excellence (CoE). Erfahrung mit PRINCE2 sollte vorliegen. Dann aber sind die gegebenen Hinweise ein wahrer Zugewinn.
2 Tayloring PRINCE2 for a project
Die Grundzutaten von PRINCE2, die Prinzipien, die Themen, die Prozesse und die Managementprodukte müssen für jede Organisation zu einem Maßanzug zurecht geschnitten (getailort von Tailor, der Schneider) werden. Würde man immer alles anwenden, was im Lehrbuch genannt wird, wären die Projekte übergemanaget. In kleineren Organisationen braucht man weniger, in größeren mehr. Doch reicht es nicht, den Maßanzug zu schneidern, man muss ihn auch tragen. Deshalb muss die Methode in die Organisation eingebettet werden.
Zunächst müssen die Prinzipien bearbeitet werden. Dazu werden die Theorien von Douglas McGregor aus den 1960er Jahren herangezogen: Der Manager vom Typ X geht davon aus, dass die Mitarbeiter ungern arbeiten. Deswegen werden Vorgaben (command and control) gemacht und das Befolgen belohnt. Das hat Pawlow an Hunden studiert und die Organisationspsychologie kennt es als Konditionierung. Machst Du brav, was du sollst, bekommst Du Deinen Bonus. Der Manager vom Y dagegen geht davon aus, dass Mitarbeiter ambitiös sind, selbstmotiviert und sich selbststeuernd (siehe auch Niklas Luhmanns Systemtheorie, die im Kern sagt, dass soziale Systeme von aussen nur irritiert werden können aber nur durch sich selsbt gesteuert werden können). Die Realität liegt wohl zwischen den beiden Polen und die Methoden müssen darauf angepasst werden. Am Rande: hier wird eine vermehrte Bedeutung des Changemanagements sichtbar für die Änderung des Verhaltens der Organisation, wie sie auch in MSP – Managing successfull programms oder in dem Buch Making Sense of Change Management (Esther Cameron & Mike Green) zum Tragen kommt, das als Grundlage für ein methodisches Change Management (der Organisation) häufig dient, z.B. hier bei der APMG.
Bei den Prinzipien muss daher sehr sorgfältig abgewogen werden, was die einzelne Organisation verträgt. Management by Exception mag in Organisationen, die lieber Meetings in festen Intervallen haben wollen, auf Unverständnis stoßen. Toleranzen oder Changebudgets, die Verantwortung nach unten delegieren, mögen in Typ Y Organisationen willkommen sein. Fokussierung auf Produkten mit Qualität als „Fitness for Purpose“ muss gelebt werden können. Die PRINCE2-Prinzipien können beim tailoren nicht einfach weggelassen werden, sondern müssen für die Organisation passend angewendet werden.
Die Themen müssen modifiziert werden. Die Themen Risiko und Qualität müssen zurecht geschnitten und ausgerichtet werden (Alignment). Bestehen Qualitätsmanagement und Risikomanagement als Linienfunktion in der Organisation sollte sie eingebunden werden bei der Anpassung für Projekte, wobei z.B. die Qualität der Prozesse nach ISO 9001ff. eine andere Zielstellung hat als die Qualität der Produkte nach PRINCE2. Aber auch die Themen Business Case, Organisation, Änderungen, Fortschritt, Änderungen und Pläne müssen organisationsspezifisch ausgerichtet sein. Beispielsweise kann man in überschaubaren Verhältnissen ein Qualitätsregister wegen der darin eingetragenen Prüftermine (und -ergebnisse) auch als Werkzeug zur Messung des Fortschritts nutzen. Solche Hinweise finden sich zahlreich in dem neuen Buch, das auf langjähriger Praxis beruht.
Die Prozesse müssen auch modifiziert werden. Im einfachsten Fall reichen z.B. drei Phasen: Gesteuerter Start (SU und IP), gesteuerter Fortschritt (CS, MP und SB) und Gesteuertes Ende. Es wird auch empfohlen, mehrere Phasen (CS) nur bei größeren Projekten einzuteilen. Immer muss das Augenmerk darauf gerichtet sein, den Overhead des Projektes, die Bürokratie, in einem angemessenen Umfang zu halten, so dass der Nutzen überwiegt.
Die Managementprodukte sind ebenfalls angemessen auszurichten. Die Projekte können innerhalb von Programmen oder in einer Portfoliosteuerung stattfinden. Dann sind die Managementprodukte anzupassen (alignen). Sie können auch herunter skaliert werden auf ein notwendiges Maß. Wenn zum Beispiel nur zwei Personen (siehe Beispiel hinten der Firma Radical!) beteiligt sind, kann die geschäftliche Rechtfertigung (Business Case) auch mündlich erörtert werden oder sowohl Plan als auch Fortschritt auf einem Whiteboard aufgezeichnet werden. Dagegen kann in einem Konzern mit Portfoliosteuerung es sein, dass der Business Case in einem strukturierten Dokument erläutert werden muss, da aus diesem Dokument Werte für die Portfoliosteuerung automatisch exzerpiert werden.
3 Embedding PRINCE2
Das Embedding (Einbetten) von PRINCE2 in eine Organisation ist eine Change-Initiative. Da kommt es darauf an,
- welchen Management-Stil eine Organisation fährt,
- an welche anderen Change-Praktiken angepasst werden muss,
- welche Barrieren überwunden werden müssen,
- welche Projektmanagement-Fähigkeiten vorhanden sind (Assessment, Reifegrad),
- welche Risiken und Limitationen man bei einer PRINCE2-Einettung man hat und
- welche Strategien man zur Verbesserung entwickelt (Improvement).
Je nach Management-Modell ist das Embedding unterschiedlich, wie an zwei Stilen verdeutlicht wird:
Maschinen-Modell |
Denkendes Modell |
|
Individuen | Nach Pawlow: Befolgen der Vorgaben wird belohnt, sonst bestraft (z.B. über Bonus) | Mitarbeiter folgen eigenen Werten, Haltungen, Glauben. Sie müssen überzeugt werden. |
Organisation | Vorgaben von oben werden unten umgesetzt | Überzeugungen der einzelnen Mitarbeiter müssen wesentlich mehr beachtet werden |
Leading change | Der PRINCE2 Champion genehmigt eine Anzahl Pläne McGregor X |
Wesentlich subtiler
McGregor Y |
Team | Wenig Beachtung von Teamstrukturen. | Gemeinsames Lernen im Keyteams. Skills sind wichtig. |
Conclusion | Häufige und eingewöhnte Umgebung | Komplexer, ggfs. auch langsamer, ggfs. dann aber auch wirksamer |
Eventuell werden auch andere Change-Praktiken in der Organsiation verwendet, die beim Embedden von PRINCE2 „aligned“ werden müssen. Beispiele:
- PMBoK® (Body of Knowledge) von APM oder PMI
- ISO 21500 Guidance on Project Management
- agile Methoden (DSDM, Scrum)
- M_o_R® Management of Risk
- P3O® – Portfolio, Programme and Project Offices siehe Blogartikel
- MSP® – Managing successfull Programmes
- MoP® – Management of Portfolios
- MoV® – Managemnt of Value
Hierzu werden einige Beispiele gegeben.
Um die üblichen Barrieren zu überwinden, werden Hinweise zu den üblichen Stereotypen gegen wie:
- PRINC2 ist zu bürokratisch oder zu teuer
- PRINCE2 ist IT-basiert
- Andere Projektmanagement-Praktiken werden hier verwendet
- Unser Projektmanagement ist gut genug ohne PRINCE2
Dann folgt ein großes Kapitel über die Verwendung von Reifegradmodellen im Projektmanagement insbesondere von P3M3 (Portfolio, Programm and Project Maturity Modell), siehe auch Blogartikel hier. Großer Wert wird dabei auf Pragmatismus gelegt, statt akademischer Spiegelfechtereien. Z.B. dass er nur darum geht, wie gut wiederholbar Projekte mit gleichbleibender Reife gemanaget werden können, ohne dabei Durchschnitte zu verwenden, sondern alle Attribute ausgeprägt zu haben. Immer wieder kehrend ist auch das Bemühung, nicht zu viel von PRINCE2 einzusetzen, wenn es nicht notwendig ist, um Projekte erfolgreich zu machen (z.B. bei Aufgaben unter einer Woche oder weniger als 20 Personentage oder weniger als 25.000 € Budget sind keine Projekte für PRINCE2). Insbesondere in den unteren Reifegraden 1 und 2 (von 5) werden aus vielen PRINCE2 Themen pragmatische Hinweise gegeben.
Letzlich werden noch Elemente für eine Verbesserungsstrategie (Improvement) aufgezählt, um PRINCE2 zu embedden.
4 PRINCE2 integrated for a small, medium and large project
Im letzten Kapitel werden dann drei Fallbeispiele (Cases) diskutiert wie Tailoring und Embedding für eine kleine, mittlere und große Unternehmung aussehen können:
Auch hier ist wieder der Pragmatismus bestechend, der sich angenehm von allumfassenden theoretischen Beschreibungen abhebt. Man sieht wieder, dass der Autor Alan Fergusson gefühlte 500 Jahre Praxis in das Buch hinein gesteckt hat, wobei ihm ein Support Team und Reviewer geholfen haben.
Kurzüberblick über PRINCE2 und Glossar runden den Band ab.
Zusammenfassung und Ausblick
Das Buch ist nichts für PRINCE2-Anfänger. Aber für erfahrene PRINCE2 Praktiker werden zahlreiche, wertvolle Hinweise zum Tailoren und Embedden von PRINCE2 in reale Organisationen gegeben, die man manchmal im Lehrbuch vermisst hat. Die Anschaffung habe ich persönlich als nützlich empfunden.
Unter anderem ist da Buch auch ein Beleg dafür, dass Axelos neben dem Gelderwerb zur Zahlung der Fees an die britische Regierung auch daran gelegen ist, die Methodik bzw. das Methodenset weiter zu entwickeln. Für nächstes Jahr ist z.B. ein Leitfaden angekündigt, wie man Projektmanagement mit PRINCE2 und agile Methoden zusammenbringt. Wer es nicht abwarten kann, bis das Buch fertig ist, und schon mal ein Gefühl bekommen will, kann schon mal einen Blick auf einen Vortrag von mir werfen, der zufällig auch in diese Richtung geht: PRINCE2® und agile Methoden in Kombination – ein Erfolgsmodell für die Praxis? Wolfgang Ksoll, September 2013, Best Practice User Group (früher PRINCE2-Verein) und itSMF.
Weiterführende Quellen
- Axelos http://www.axelos.com/
- Best Management Practice http://www.best-management-practice.com/
- Best Practice User Group Deutschland http://www.bpug-deutschland.de/
- APMG http://www.apmg-international.com/
- WK-Blog http://wk-blog.wolfgang-ksoll.de/projektmanagement/
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Für die zahlreichen Anglizismen bitte ich die Freunde der deutschen Sprache um Milde und Nachsicht. Als alter Lateiner vermeide ich auch keine lateinischen Fremdworte 🙂 Zudem unterstütze ich es gerne, dass heute die Lingua franca das Englische ist. Sie ist einfach zu lernen, wir kommen damit weltweit hin, zumal wir auch immer globaler werden in unserer Kommunikation, in den internationalen Organisationen, in den Regierungsgeschäften und in unseren Urlaubsreisen.
Der Leitfaden klingt sehr interessant. Danke für die gute Zusammenfassung.