Open Data: die nächste Runde

Berliner Bauakademie

Von Open Data spricht man, wenn Daten des Staates für den Bürger geöffnet werden. „Dies betrifft insbesondere Abwesenheit von Copyright, Patenten oder anderen proprietären Rechten. Open Data ähnelt dabei zahlreichen anderen „Open“-Bewegungen, wie zum Beispiel Open Source, Open Content, Open Access, Open Government und Open Education“ sagt Wikipedia. Weltweit sind dazu zahlreiche Initiativen gestartet worden, im deutschsprachigen Raum ist dabei man noch eher verhaltener. Um dies zu ändern, soll hier ein Vorschlag gemacht werden, der weit über den Nachweis öffentlicher Toiletten (Wien), den Aufstellungsort von Behältnissen für Hundekot (Bremen) oder Auszügen aus dem Branchentelefonbuch (Leipzig) hinaus geht – auch in Deutschland – aber nicht nur da. Mit einem Szenario-Ansatz soll verdeutlicht werden, welche Schätze uns die Zukunft bringen wird. Nahezu kostenlos. Lassen wir uns von Open Data als Big Data challengen und bauen uns ein Bild oder eine Vision von der Zukunft, wie die nächste Runde im Open Data Bereich aussehen könnte.

Inhalt

Der eilige Leser kann hier schnell zu den einzelnen Abschnitten springen:

Welche offenen Daten braucht man (am Beispiel eines Umzugsszenarios einer Familie)? | Wo sind Daten beim Staat oder Kommune vorhanden? | Wohnungen: Wohnung zur Miete Wohnung zum Kauf | Umweltbelastungen | Öffentlicher Personenverkehr | Kitas – Kindertagesstätten | Schulen | Pflegeheime | Krankenhäuser, Ärzte, Lebensmittel, Gaststätten | Polizei | Wie kann man die Daten zugänglich machen? | Wer soll es machen – welche Akteure? | Nur Daten bereitstellen oder auch Anwendungen? | Welche Hemmnisse gibt es? Kulturelle Hemmnisse Urheberrechtliche Hemmnisse | Zusammenfassung und Ausblick | Bildquellen | Weiterführende Quellen |

Welche offenen Daten braucht man (am Beispiel eines Umzugsszenarios einer Familie)?

Welche Daten vom Bürger nachgefragt werden, ist schwierig zu prognostizieren. Da das Bereitstellen auch mit Kosten verbunden ist, wird man sich überlegen, wo man ansetzt (siehe z.B. Jörn Riedel 2011). Man wird partiell um Experimente nicht herum kommen: anbieten-messen-evaluieren. Dann wird man entscheiden müssen, ob man ausbaut oder einstellt.

Eine andere Herangehensweise als reines Trial-and-Error ist die Szenarienbildung (Beispiele findet man hier oder hier oder hier): man setzt sich ein Szenario und leitet daraus den prognostizierten Bedarf ab. Diesen Weg werde ich hier exemplarisch verfolgen. Als Beispiel nehmen wir eine Familie, die umziehen will. Natürlich wird man mehrere Szenarien brauchen, um den vollen Nutzen der Daten der öffentlichen Hand zu heben. Aber das Umzugsszenario einer Familie macht das Prinzip klar.

Blicken wir in die Statistik: „4,8 Millionen Haushalte wechseln jährlich in Deutschland ihren Wohnort – das entspricht 8.415.032 Personen mit einem Gesamtjahreseinkommen von 154,9 Milliarden Euro. Schätzungsweise 38,7 Milliarden Euro fließen dabei in umzugsnahe Aufwendungen wie Einrichtung, Energie, Umzugslogistik und Telekommunikation.“ So heißt es bei deutscher-umzugsmarkt.de.

Dabei sind auch die Umzüge innerhalb einer Gemeinde erfasst, die das statistische Bundesamt nicht erfasst und so bei ihren „Wanderungen“ zwischen Bundesländern auf nur knapp 800.000 Umzüge kommt. Auf Haushaltsgrößen verteilen sich die Umzüge wie folgt

  • 35,4 % sind 1-Personenhaushalte,
  • 27,8 % sind 2 Personenhaushalte und
  • 16,0 % sind 4-und-mehr-Personenhaushalte.

Es sind also rund 750.000 Familien-Haushalte in Deutschland, die jedes Jahr umziehen. Und jedes Mal haben diese Haushalte mehr oder weniger die gleichen Probleme, in der Zielwohnung öffentlich bewirtschaftete Leistungen zu finden, für die die öffentliche Verwaltung zahlreiche Daten besitzt, diese aber meist nicht oder nur unvollständig publiziert.

Zwar muss man einschränkend sagen, dass die meisten Haushalte heute 1-Personenhaushalte sind und das viele Menschen nur in ihrer Nähe umziehen (ich habe mich z.B. an Berliner Gepflogenheiten angepasst, nur im eigenen Bezirk umzuziehen, d.h. seit 1984 drei Mal in Lankwitz). Aber nehmen wir zur Verdeutlichung der Problematik den konservativen Spezialfall einer Familie mit Kindern als Szenario (eine Tochter Mona, 4 Jahre, und eine Tochter Lisa, 12 Jahre). Opa soll auch mit, obwohl er wohl bald ins Pflegeheim (Pflegestufe 2 oder 3 mit Nebenrisiko des Demenz) muss. Nehmen wir an, der Umzug geht von Bochum (Nokia-, Opel– oder Ruhrkohle-Umfeld) nach Berlin (da kenne ich mich am besten aus 🙂 ). Dann stellen sich folgende Fragen:

  • Wo finden wir eine Wohnung? Wo sind die Zahlen aus den Gutachterausschüssen für Immobilienverkäufe, wie hoch sind die Mieten nach Mietspiegel? Wie hoch ist die Belastung an Schadstoffen in der Gegend (S02, Schwebstoffe, Emissionskataster…)?
  • Wie ist der öffentliche Personenverkehr ausgestattet (Bus, S-Bahn, U-Bahn, Regionalzüge, Taxihalteplätze, Flughäfen)? Taktfrequenzen der Verkehrsmittel? Kommt man nachts noch hin? Von außerhalb? Kommen Papa und Mama damit zur Arbeit oder die Tochter zur Schule?
  • Wo sind die Preise aus den Gutachterausschüssen für Immobilienverkäufe, wie hoch sind die Mieten nach Mietspiegel
  • Wo ist eine Kita für die kleine Mona? Wie sind Kindergärtnerinnen qualifiziert (Entgeltgruppen S2-S18 TvÖD-VKA)? Welche Zusatzangebote gibt es? Zu welchen Preisen? Gibt es Qualitätsberichte?
  • Welche Schulen gibt es für die große Lisa, wie sind die Lehrer geratet (siehe Spickmich), was sind die Ergebnisse der Qualitätsinspektionen, welche Zensuren erreichen Schüler in den Abschlüssen, was ergaben die Inspektion mit PISA und anderen?
  • Ist in der Nähe ein Pflegeheim für Opa, wenn Opa stationär in Pflege muss? Welche Ergebnisse haben die Qualitätsinspektionen des MDK ergeben?
  • Welche Krankenhäuser, Ärzte sind in der Gegend (alle staatlich überwacht)?
  • Welche Kultureinrichtungen mit welchem Programm finanziert der Staat in der Umgebung (Opern, Theater, Sporteinrichtungen)?

Schon bei flüchtiger Betrachtung sieht man, dass es hier um einige hunderttausende € gehen kann: ein Haus für 200 T€ wird gekauft oder nicht. Oder man mietet eine andere Wohnung. Ein verlorenes Jahr in der falschen Schule kostet das Kind 100 T€ am Ende des Arbeitslebens. Ein falsch eingebautes Hüftgelenk kostet Schmerzen ohne Ende. Wenn Opa schlecht versorgt wird, wird es uns das Herz brechen.

Wo sind Daten beim Staat oder Kommune vorhanden?

Gehen wir die Punkte aus dem Szenario der Reihe nach durch und wundern uns, was der Staat oder die Kommune alles wissen und uns zur Verfügung stellen könnte.

Wohnungen

Kommt man in eine neue Stadt, braucht man zunächst eine Wohnung: Das kann eine Wohnung zur Miete sein oder ein Immobile, die man kauft.

Wohnung zur Miete

In Deutschland ist die Aufstellung von Mietspiegeln zur Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete üblich (siehe §558 BGB). Berlin hat einen hochwertigen, qualifizierten Mietspiegel online. Man kann nicht nur für jede Adresse in Berlin eine pauschale ortsübliche Vergleichsmiete (Nettokaltmiete) bestimmen, sondern auch eine Vielzahl von Ausstattungsmerkmalen berücksichtigen. Mittels einer Wohnlagenkarte kann unsere Familie auch einen ersten, groben Überblick über die Wohnlagen bekommen:

Wohnlagenkarte - Berliner Mietspiegel 2011

Wohnlagenkarte - Berliner Mietspiegel 2011

Allerdings sieht man nicht, dass von Zehlendorf über Lichterfelde nach Lankwitz-Ost die qm-Mieten von 9 €/qm auf 5 €/qm sinken. Man sieht auch nicht den Gradienten, der sich aus Mietkosten in Berlin-Mitte (den hippen Vierteln) bis hinaus nach Teltow/Brandenburg ergeben. Einerseits muss man Punktwerte einzeln im Mietspiegel abfragen, andererseits stehen für Teltow keine Werte zur Verfügung, obwohl es mit der S-Bahn nur eine Haltestelle weiter als Lichterfelde-Süd ist, also für unsere Familie eher unerheblich wäre.

Bessere Informationen liefern private Portale wie Immobilienscout24.de oder andere, wie man in den folgenden Beispielen von  Immobilienscout24.de sehen kann:

Mietpreisniveau in Berlin-Lankwitz

Das Preisniveau zeigt die Mietpreise in den verschiedenen Lagen. In dem Beispiel sieht man, dass eine relativ große Spreizung der Mieten in diesem Ortsteil besteht und dass dabei die betroffene Wohnung eher günstig ist.

Mietpreisentwicklung in Berlin-Lankwitz

Die Preisentwicklung zeigt die Preise über die Zeit. Der schnelle Anstieg der Durchschnittsmiete in den letzten zwei Jahren in der Grafik lässt die Vermutung aufkommen, dass ein Kauf einer Wohnung eventuell wirtschaftlicher wäre.

Umgebungskarte eines Mietobjektes in Berlin-Lankwitz

An der Umgebungskarte sieht man, dass der Portalbetreiber weiß, was der Mieter in der Umgebung braucht. Aber es sind nur die Standorte und Adressen mit Markern eingezeichnet, nicht aber die Informationen, die Staat und Kommune in ihren Daten haben.

Wohnungen zum Kauf

Während die Aufstellung von Mietspiegeln nicht gesetzlich verbindlich ist, ist die Sammlung von Kaufpreisen von Immobilien und Grundstücken durch „Gutachterausschüsse“ nach dem Baugesetzbuch (Nachfolger des Bundesbaugesetzes) in Deutschland zwingend vorgeschrieben. Sie sind bei den Kommunen angeordnet (wie in Baden-Württemberg), bei kreisfreien Städten und Landkreisen (Nordrhein-Westfalen)  oder Landeseinrichtungen (Niedersachsen) angeordnet. Verkäufe müssen den Gurtachterausschüssen gemeldet werden. Diese erstellen dann Bodenrichtwertübersichten oder auch Immobilienpreisübersichten. Für die Stadt Moers z.B. findet man die Immobilienpreisübersicht 2012 z.B. hier. Daraus kann man dann erkennen, dass ein alleinstehendes Einfamilienhaus mit 538 qm Grundstückfläche und 159 qm Wohnfläche, bei mittlerer Wohnlage und altersbedingten, normalen Zustand, das in den Jahren 1975-2009 erbaut wurde, in Moers durchschnittlich einen Kaufpreis von 326.000 € erzielte. In manchen Gegenden sind die Abfragen zu Daten der Gutachterausschüsse schon elektronisch für Bürger möglich. Das kostenlose IT-System BORISplus.NRW ist auch als App für iOS und Android erhältlich. In Berlin sind die Abfragen für Immobilienpreise mit Kosten verbunden.

In UK findet man dagegen kartenbasierte Dienste privater Anbieter, die ganz Großbritannien bedecken.

Kaufimmobilien in Brixham, Devon

Am Beispiel Brixham, Devon, sieht man, dass der Durchschnittspreis sowie die geschätzten Preise einzelner Immobilien nachgewiesen werden. (Die Häuser am Hafen sind mit über 400.000 £ ziemlich teuer, während der Durchschnittspreis von 202.882 £ auf auch deutlich preiswertere Liegenschaften hindeutet).

Umweltbelastungen

Der Staat führt natürlich auch penibel Buch darüber, mit welchen Schadstoffen die Bürger belastet werden. So findet man in Hessen zum Beispiel ein Feinstaubkataster PM10, das die Messwerte in einer Karte zeigt:

Feinstaubbelastung in Hessen

Man kann sich dort auch alphanumerisch Werte für viele Messstationen anzeigen lassen z.B. für die Belastung der Luft mit Schwefeldioxid (S02), Stickstoffmonoxid (N0), Stickstoffdioxid (NO2), Ozon (O3), Methan (CH4) und weitere. Die Bodenseekonferenz hat es sogar geschafft, grenzüberschreitend mit der „Plattform Luft“ z.B. die Feinstaubbelastung rund um den Bodensee aufzuzeigen.

Feinstaub am Bodensee

Aber wäre es nicht einfacher, die Daten in der gleichen Karte abzubilden, mit der unsere Familie auch die Schule sucht, so dass man sofort sehen kann, was die Kinder einatmen werden? Und man durch einfache Schalter von Schadstoff zu Schadstoff wechselt, statt nach einem immissionswissenschaftlichen Studium und Lesen der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) nach dem Bundes-Immisionsschutzgesetz (BImSchG) die Werte mühsam zu ergoogeln? Mittelfristig werden uns diese Daten doch sowieso aktuell elektronisch vorliegen. Auf der Emissionsseite gibt es schon heute solche derartigen Karten z.B. für Greenhouse Gas (CO2) in den USA von der EPA (United States Environmental Protection Agenccy).

 

Greenhousegas (CO2) in USA

Öffentlicher Personenverkehr

In Berlin ist seit den 1990er Jahren ein Paradigmenwechsel zu beobachten. Kurz nach der Wende baute man für die Familie einen Neubau im „Speckgürtel“ um Berlin herum. Man brauchte zwei Fahrzeuge: eines für Vater, um in die Stadt  zu kommen, und eines für Mutter, um die Kinder nachmittags zum Ballett, Klavierunterricht oder Sport zu fahren. In den 2000er Jahren zog es jüngere Paare dagegen in die Stadtmitte, Prenzlauer Berg, weil man Versorgungseinrichtungen fußläufig erreichen wollte und beide Elternteile mit der S-Bahn zur Arbeit fahren wollten.

Für die Mobilitätsplanung an einem neuen Wohnort ist es wichtig, die Fakten ggf. auch schon aus der Ferne eruieren zu können. Ich will mit einem britischen Beispiel beginnen, wie ich es in UK im Frühjahr 2012 genutzt habe. Die Tour geht von Brixham in Devon über London nach Cambridge.

Öffentlicher Personenverkehr von Brixham, Devon, nach Cambridge

Das Bild macht deutlich, dass man mit Google Maps in England komfortabel eine Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln planen kann (wie auch mit dem Auto, zu Fuß oder mit dem Fahrrad). Die Karte zeigt, dass in UK die öffentlichen Verkehrsträger „nationwide“ in Google Maps koordiniert sind. Es geht los in Brixham mit dem Bus, weiter mit dem Zug (einer der vielen Bahn-Betreiber in UK), durch London dann mit der Circle Line in der U-Bahn und danach wieder mit dem Zug nach Cambridge. Das ist der IST-Zustand in UK Ende 2012. Und in Deutschland?

Die Deutsche Bahn hat 2012 ein Agreement mit Google geschlossen, etwas Ähnliches zu machen. Aber obwohl die Deutsche Bahn AG exzellente Daten in ihrem HAFAS-System hat, das ich manchmal für Busreisen mit der BVG innerhalb Berlins nutze, hat man (angeblich aus Urheberrechtsgründen) nur verkrüppelte, bahneigene  Fahrplandaten eingegeben (ohne Busse, U-Bahnen, Regionalbahnen Dritter wie in HAFAS). Man fasst sich an den Kopf: überall in Deutschland wird der öffentliche Personenverkehr aus Steuermitteln am Leben gehalten (die Deutsche Bahn AG gehört dem Bund, die Regionalverkehre werden von den Ländern bestellt mit Steuern des Bundes, die Kommunen betreiben meist die lokalen Verkehrsunternehmen), aber der Staat und die Kommunen, denen diese Unternehmen gehören oder die sie finanzieren, haben sich nicht einmal die Nutzungsrechte an den Fahrplandaten gesichert? Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Anstalt öffentlichen Rechtes, deren 100%ger Eigentümer das Land Berlin ist, haben alleine 2011 257,5 Mio € vom Land Berlin (also ihrem Eigentümer) aus dem „Verkehrsvertrag“ bekommen und die öffentliche Hand kann der Deutschen Bahn AG die Fahrplandaten nicht freigeben. Wie schräg ist das denn? Wie erbärmlich stellt sich denn mein Staat dar, wenn ich ihn mit England vergleiche. Statt zu den Engländern aufzuschließen, müssen Aktivisten betteln, dass sie die Fahrplandaten bekommen oder wenigstens nutzen dürfen. Die Deutsche Bahn droht sogar mit Klage bei der Nutzung der Fahrplandaten als Open Data. Ein unwürdiges Spektakel angesichts der Performance des Vereinigten Königteiches.

Um nicht missverstanden zu werden: es geht nur um statische Fahrplandaten eines Fahrplanes, der mit Steuern finanziert wird. Ungeachtet dessen hat die BVG einen brillanten Service an jeder Haltestelle, wo man mit einem QR-Reader einlesen kann, wann der nächste Bus tatsächlich kommt und nicht nur planmäßig kommen könnte. Die Stadt New York mit dem faszinierenden Bürgermeister Bloomberg gibt nun auch die Echtzeitdaten der U-Bahn als Open Data heraus. Auch in Frankreich ist man weiter. Eine Übersicht, wo Google schon Fahrpläne in Google Maps integriert hat, findet man hier bei Google Transit. Aber die deutsche nationale Integration der Fahrpläne ist eine Katastrophe. Das hat auch zur Folge, dass die Mobilität der Bürger beeinträchtigt wird, da Daten nur sehr mühsam beschafft werden können.

Ein positives Beispiel aus der Wirtschaft für den öffentlichen Personenverkehr ist dabei z.B. die Applikation taxi.de. Statt in jeder Stadt eigene Taxi-Apps zu entwickeln, hat man eine nationale Plattform entwickelt. Hier ist besonders der Vorteil für den Vielreisenden zu sehen, den es nicht interessiert, wo in einer bestimmten Stadt eine Taxi-App downloadbar ist, sondern er will in jeder Stadt sicher und schnell ein Taxi bekommen

Kitas – Kindertagesstätten

Für Kindertagesstäten haben die Eltern zahlreiche Fragen: Wird mein Kind optimal betreut? Ist das Personal qualifiziert? Liegt ein gutes pädagogisches Konzept vor? Hat jemand das bestätigt durch Qualitätssicherung? Ist der Preis angemessen zur Leitung? In Deutschland kommt noch erschwerend hinzu: bekomme ich überhaupt einen Platz? Viele der Fragen könnten durch Open Data einfach gelöst werden:

  • Für kommunale Kindertagesstätten wird im Haushaltsplan meist auch die Vergütungsgruppe der Mitarbeiter ausgewiesen (Entgeltgruppen S2-S18 TvÖD-VKA). Man kann daran erkennen, wie viel Personal eingesetzt wird und wie es qualifiziert ist. Die Stadt Mülheim an der Ruhr weist im Internet für 8 Kitas die Stellen im Stellenplan nach. Bei manchen Kommunen wie den Bezirken in Berlin ist allerdings eine Verschleierung eingetreten. Die Kitas wurden als Eigenbetriebe umfirmiert und erscheinen nicht mehr im Haushalt, buchen nun kaufmännisch statt kameralistisch. Trotzdem veröffentlichen sie ihre Jahresabschlüsse nicht elektronisch im Bundesanzeiger wie jedes nichttriviale private Unternehmen.
  • Die Bausubstanz der Kitas wird durch die Bauordnungsämter und auch Gesundheitsämter überwacht. Diese drohen bisweilen auch mit Entzug der Betriebserlaubnis.
  • Verpflegung: Die Aufsichtsbehörde (i.d.R. Landesjugendamt) weiß auch, ob die Kita (ggf. zusammen mit Eltern) selbst kocht oder ob gecatert wird.
  • Die Elternbeiträge sind unterschiedlich hoch, mal mit Essen mal ohne (wie hier in Köln). Die Beiträge werden oft nicht nach erbrachter Leistung sondern nach Zahlungsvermögen der Eltern bemessen. Herr Sarrazin hat in Berlin zur Sanierung des allgemeinen Haushalts einen Kita-Dreisprung gemacht:
    • 1.) Die Bausubstanz wurde so stark vernachlässigt, dass ein privater Betreiber in manchen Gebäuden keine Betriebsgenehmigung erhalten hätte (was die Privatisierung hemmte).
    • 2) Praktikantinnen wurden als Vollkräfte geschlüsselt, um gesetzlichen Personalanforderungen gerecht zu werden.
    • 3.) Das selbst gekochte Essen wurde umgestellt auf Billig-Catering.

Im Gegenzug für die nachlassenden Leistungen wurde der Elternbeitrag für manche Eltern verdoppelt (!). Das führte im Südwesten Berlins dazu, dass einige Eltern nur unter Vorbehalt einer gerichtlichen Klärung zur Zahlung bereit waren. Ich habe damals fristlos gekündigt (§242 BGB (Treu und Glauben) und Verhältnismäßigkeit nach Verfassung).

  • Fördermaßnahmen der Kitas sind je nach pädagogischem Konzept unterschiedlich. Wie schön eine Kita sein kann, wenn in der Kommune die Gewerbsteuer sprudelt zeigt die Stadt Walldorf, in der die SAP AG ihren Sitz hat.
  • Zudem gibt es für viele Kitas Qualitätsberichte, d.h. dass von Externen evaluiert wird, ob die Leistung für die Nutzer akzeptabel ist.

Schulen

Für die Schulen gilt ähnliches wie für Kindergärten. Zwar können die älteren Schüler auch alleine zur Schule fahren, aber eine falsche Auswahl hat schwerwiegendere Konsequenzen (Jahrgangswiederholungen, fehlender Abschluss, schlechter Abschluss), die den gesamten Lebensweg des Schülers verändern können (anders als die fehlende Kenntnis über die nächste öffentliche Toilette, um an unterschiedliche Relevanz von Open Data zu erinnern). Aber auch hier hat die öffentliche Hand eine Vielzahl von Daten, mit denen sie als Open Data den Eltern und Schülern das Leben erleichtern und die Auswahl einer richtigen Schule unterstützen könnte:

  • Für die öffentlichen Schulgebäude sind in der Regel die Kommunen zuständig, die die Gebäude betreiben.
  • Das Lehrpersonal wird bei öffentlichen Schulen vom Land eingestellt, bezahlt und überwacht. Öffentliches Rating von Lehrern auf Internet-Plattformen ist zulässig.
  • Die Ergebnisse/Outcome von Schulen werden durch statistische Messungen (Benchmarks) in PISA-Studien der OECD, IGLU-Studie in Deutschland, TIMMS gemessen (siehe auch SPIEGEL)
  • Den Schulaufsichtsbehörden werden aber auch die Abschlussergebnisse der Schüler übermittelt.
  • Die Schulaufsichtsbehörden machen Stichprobenartig Unterrichtsvisitationen.
  • In Speziellen Schulvisitationen werden Qualitätsberichte erarbeitet. In Brandenburg und NRW werden diese Qualitätsberichte im Internet veröffentlicht. Als Beispiele seien der Bericht der Grundschule Zepernick in Panketal für Brandenburg und der GH Johannes-Rau-Schule in Bonn für NRW genannt.

Der Staat hat alle Daten, die wir brauchen, um für Lisa ein optimales Schulergebnis (Outcome) zu erhoffen, damit sie Spaß am Leben haben kann und für ihren Weg gerüstet ist. Wir müssen sie nur zugänglich machen.

Pflegeheime

Bei Pflegeheimen ist es ähnlich wie bei Kitas und Schulen: man will etwas über Gebäude, Ausstattung, Personal, Konzept und Leitbild erfahren. Das Horrorszenario haben z.B. Claus Fussek und Gottlob Schober in ihrem Buch: „Im Netz der Pflegemafia“ beschrieben: wenn Opa bettlägerig gefüttert werden muss, ist das zu personalintensiv. Also wird Opa künstlich per Infusion ernährt. Dazu muss er aber am Bett fixiert werden, was eigentlich eine richterliche Genehmigung wegen der Freiheitsberaubung braucht. Wenn er nicht aufstehen kann, um zur Toilette zu gehen, dann braucht er auch die großen, neuen Windeln (Fassungsvermögen 3,8 l). Das macht Opa gut zwei-drei Monate mit, dann ist er abgemagert auf 40 kg und ist wegen Tod nicht mehr pflegebedürftig.

Um solchen Mängeln entgegenzuwirken, wurde mit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz 2008 eingeführt, dass jedes Pflegeheim mindestens ein Mal alle vier Jahre vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) inspiziert wird. Seit dem 1.12.2009 werden die dabei erstellten Qualitätsberichte ins Internet gestellt.

Zur Markttransparenz gehört auch, dass die Preise bekannt sind, die für den Aufenthalt im Pflegeheim verlangt werden und die den Beitrag der Pflegeversicherung übersteigen. Diese Frage wird in einer vergreisenden Gesellschaft mit (bis 2030) ansteigenden Pflegezahlen immer prekärer, auch wenn 2/3 der Pflegestufen I-III zu Hause gepflegt werden können, ambulante Pflege deutlich preiswerter ist und diese sich auch mit den Wünschen der Senioren deckt (wie sich auch in meiner unveröffentlichten Studie „Zu Hause Wohnen im Alter“ ergab).

Krankenhäuser, Ärzte, Lebensmittel, Gaststätten

In vielen anderen Bereichen ist der Staat oder die Kommune überwachend tätig. Dabei werden viele Daten mit gesetzlichem Zwang gesammelt, die dem Bürger aber nicht oder nur umständlich zur Verfügung gestellt werden, selbst wenn kein Personenbezug existiert oder sie nicht direkt personenbeziehbar sind, so dass vom Datenschutz her keine Probleme auftreten.

Jeder Regionalplaner, Stadtentwickler oder Immobilieninvestor, der einen funktionsfähigen Kiez/Community entwickeln will, kennt die mühselige Suche nach diesen Daten. Gelegentlichen Nutzern wie Umzüglern fällt diese mangels Übung noch schwerer.

Die Prinzipen wurden oben exemplarisch erläutert, deswegen sollen sie für Krankenhäuser, Ärzte, sonstige Akteure im Gesundheitsbereich, Lebensmittelhandel, sonstigen Einzelhandel, Gaststätten und sonstige Dienstleister hier nicht weiter erläutert werden.

Polizei

Der Bereich der Polizei aber soll noch kurz angedeutet werden, da im angelsächsischen Ausland Polizeidaten veröffentlicht, während in Deutschland diese (noch?) nicht veröffentlicht werden dürften. Bei den Recherchen zu meinem Rumeln-Epos habe ich in USA interaktive Karten gefunden, auf denen Straftäter, mit Wohnadresse, Foto und Straftaten verzeichnet sind wie zum Bespiel hier in Nashville, Tennessee:

Nashville, Tennessee

Anonym geht es in UK (siehe auch Open Data: Powering the Information Age) wie zum Beispiel hier in police.uk oder hier in Southampton in der Crime Heat Map zu:

Nach dem Massaker in Newton, Connecticut, hat eine US-Zeitung die Adressen von Waffenbesitzern auf eine Karte veröffentlicht („Map: Where are the gun permits in your neighborhood?“)

Waffenbesitzer in Westchester

Die roten Punkte auf der Karte sind anklickbar. Es erscheint ein Popup mit Namen und Anschrift des Waffenbesitzers.

Einerseits kann man nicht leugnen, dass es für den Wert einer Wohnlage entscheidend sein kann, ob es viele oder wenige Straftaten in der Gegend gibt (Wie sicher ist die Nachbarschaft?), anderseits ist der exzessive Personenbezug in USA mit deutschen Vorstellungen von Datenschutz nicht vereinbar. Zwar die Schutzfunktion für den Bürger erkennbar, aber nicht, ob die Maßnahme der Resozialisierung widerspricht, da sie eher dem mittelalterlichen Pranger ähnelt als neuzeitlichem Strafvollzug.

Die Beispiele zeigen, dass der Staat und die Kommunen mit Steuermittel Massen von Daten erheben, die nur dürftig genutzt werden und den Bürger nur selten in angemessener Form zugänglich gemacht werden. Das Umzugsszenario zeigt auch, dass es nicht nur um Convenience-Fragen geht („Ich muss Pipi“, „Mein Hund muss koten“), sondern um knallharte wirtschaftliche Fragestellungen mit der Auswirkung auf hundertausende € für Investitionen oder Konsum.

Wie kann man die Daten zugänglich machen?

Wir haben nun gesehen, dass der Staat mit Steuergeldern immense Mengen an Daten sammelt, aber diese noch nicht alle in angemessener Weise dem Bürger zur Verfügung gestellt werden.

Den aktuellen Modetrends folgend kann man natürlich sagen, dass es Apps für Smartphones sein müssen. Weil der Bürger ständig unterwegs ist und sein Informationsbedürfnis sofort befriedigt werden muss. Für öffentliche Toiletten ist das absolut richtig, mit aktivierter GPS-Standortsuche in lokaler App nach dem Ort der Erlösung zu suchen. Dieses Geschäft hat in gut geführten öffentlichen Toiletten einen Transaktionswert von 30-80 Cent. Daneben gibt es auch kostenlose öffentliche Toiletten. Das ist wie mit Content im Internet. Vom Geschäftsmodell her wird man eher auf Zugewinne bei Wahlen durch erlöste Bürger setzen statt auf Umsätze, die die Investitionen amortisieren. Die Datenmenge ist eher begrenzt, die man so zur Verfügung stellt, für Telefonnummern, Postanschriften oder Termine reicht es.

Eine spannende Frage ist dann aber, ob jede der über 6.000 deutschen Kommunen eigene Apps entwickeln muss mit dem Support für inkompatible Betriebssysteme wie iOS von Apple, Android von Google oder Windows von Microsoft. Vor einiger Zeit entwickelten sich „Maerker“-Anwendungen. Der Bürger kann online eine Störung melden (Baum umgefallen, Tierkadaver auf der Straße, Müll am Wegesrand, Straßenlaterne defekt), die dann automatisch der Verwaltung weitergeleitet wird. Wenn die Anwendung gut ist, sehen alle Bürger den Bearbeitungsstand. In IT-Kontexten nach ITIL nennt man das einen elektronischen Kanal zum First-Level-Support des User-Helpdesks. Zunehmend entwickeln sich aber statt lokaler (wie zum Beispiel die Stadt Bonn mit anliegen.bonn.de) auch bundesweite Anwendungen. Stoerung24.de oder mängelmelder.de nehmen Störungsmeldungen Deutschland weit auf und leiten sie an die zuständige Behörde weiter.

Wird die Datenmenge größer, mag es hilfreich sei, geografisch verteilte Karte auf einer Landkarte darzustellen. Die Stadt Köln zum Beispiel entwickelt aus vielen Kartenquellen ihr OpenStreetMaps-Angebot „in unermüdlicher Sisyphusarbeit“ (Eigenbeschreibung). Mittels eines Selektors können einzelne Datenbestände privater Anbieter eingeblendet werden (Kinos, Freie Theater, Gaststätten, Hotels), so dass z.B. über die Marker sogar Teile des aktuellen Kinoprogramms angezeigt werden können. Diese Anwendung ist eine Eigenentwicklung im Auftrag der Stadt Köln. Es handelt sich offenbar nicht um ein amtliches Werk nach §5 Urhebergesetz (siehe unten), da Copyright-Vermerke der Netcologne GmbH  und Lizenzbedingungen angegeben werden.

Stadtplan Köln

Open Data der öffentlichen Hand sind meistens Daten mit geografischem Bezug (außer Schulden, die sind überall). Das hängt auch damit zusammen, dass die öffentliche Hand als Gebietskörperschaft  sich über geografische Grenzen definiert z.B. als Gesamtstaat, Region, Kommune etc. Da bietet es sich dann auch besonders an, das Navigieren durch die Massen der Open Data mittels Karten zu ermöglichen.

Prinzipiell bieten sich dabei drei Leading Edge Technologien an: Open Street Maps, Microsoft Bing Maps oder Google Maps mit Google Earth.

Open Street Maps hat einige Freunde in der öffentlichen Hand, da es ein Open Source Projekt ist und man sich nicht mit Lizenzfragen quälen muss. Auch sind örtliche Ergänzungen leicht einfügbar (siehe Köln oben). Nachteilig ist, dass der Funktionsumfang erheblich kleiner ist als bei Google.

Microsoft Bing Maps ist nach dem ersten Scheitern von Apple auf dem iPhone ein ernster kommerzieller Wettbewerber von Google. Bing Maps verfügt über ein schnelles Interface, eine Wegefindung/Routing und Programmierschnittstellen (ich habe damit Projekte im Immobilienbereich gemacht). Es gibt Karten und Satellitenbilder und vieles mehr. Nachteilig ist, dass man Lizenzgebühren zahlen muss.

Google Maps ist das derzeit mächtigste Werkzeug. Man hat die oben genannten Funktionalitäten. Man kann programmiertechnisch aus Datenbanken Marker mit Zusatzinformationen generieren wie bei Bing Maps. Man kann auch händisch eigene Karten mit Markern erstellen und ein rudimentäre Rechteverwaltung ist Bestandteil (Wer darf Daten ändern? Eigentümer, benannte Accounts oder jeder). Ein ganz spezieller Zusatznutzen ergibt sich mit der Erschließung von Daten, die sowieso integriert sind:

  • Mit Streetview kann man sich z.B. die Straßensituation am Kindergarten ansehen. Gibt es Parkplätze zum Hinbringen und Abholen der Kinder? Gibt es gesicherte Straßenüberwege, so dass das Kind alleine nach Hause gehen kann?
  • Mit dem integrierten Panoramio kann man sich Fotos von der Gegend ansehen, für die man sich interessiert.
  • Mit Google Earth können auch 3D-Objekte in die Karten integriert werden.

Die vielfältigen Möglichkeiten von Google Maps habe ich exemplarisch in dem Artikel Gotik und Google – ein Dreamteam beschrieben, wo am Beispiel von über 200 gotischen Gebäuden in Europa gezeigt wird, wie man mit primitiven Markern auf einer Karte erhebliche Zusatzinformationen erschlossen werden können. Sozusagen als visuelles Data Mining.

London, UK, City-Map in Google Earth

Am Beispiel von London City, UK, in Google Earth (im Ausschnitt links der Buckingham Palace, rechts das London Eye mit Schatten auf der Themse) sieht man, wie man extrem große Datenmengen in einem einfachen Interface durchsurfen kann. Links am Bildrand sieht man eine Leiste mit Selektoren, in der man einstellen kann, welche Dinge man auf der Karte sehen möchte und welche nicht. Die ausgewählten Schulen, Polizeistationen, U-Bahnhöfe, etc.  erscheinen dann als Marker auf der Karte. Sind die Marker intelligent wie bei Google Maps, kann sie attributieren und Links setzen auf Webserver mit diversen weiteren Open Data. Hervorzuheben ist, dass Google Earth global aufgestellt ist und nicht regional oder national. Oder wie es im Magic Kingdom in der Walt Disneys World in Orlando, Florida, US, heißt: It’s a small world.

Bei öffentlichen Verwaltungen muss man berücksichtigen, dass die Datenquellen aus unterschiedlichen Government-Layern stammen können. In New York City zum Beispiel werden die Lehrer von der Stadt bezahlt (mit Zuschüssen des Bundes, die über den Bundesstaat geleitet werden). In Deutschland werden Lehrer aus den Finanzmitteln des Bundeslandes bezahlt, die Gebäude von der Kommune.

Für den Nutzer (wie unsere Familie oben) ist es irrelevant, aus welcher Datenquelle die Daten stammen. Wichtig ist, dass sie an einer Stelle zusammengeführt werden. Die Tabelle zeigt beispielhaft unterschiedliche Gliederung staatlicher Verwaltung:

Tabelle: Staatliche Ebenen in drei Beispielen:

Layer USA UK Germany
Global United Nations
National Federal Republic United Kingdom Bundesrepublik/FederalRepublic
State/Region State, County County, Unitary Authorities Bundesland, Kreis
Municipality/Local City, Community City, Community Stadt, Gemeinde= Kommune

Wer soll es machen – welche Akteure?

Bei kleinen Open Data Datensätzen, hat es sich eingebürgert, dass die öffentliche Hand Wettbewerbe ausschreibt. Für kleine Preisgelder (zwischen 10 und 20.000 €) werden dann außerhalb der Verwaltung hauptsächlich mobile Anwendungen/Apps erstellt. Der Bund hatte den Wettbewerb Apps4Deutschland ausgerufen (1. Preis 4.000 €). Das Land Bremen den Ideen-Wettbewerb Apps4Bremen ausgerufen. Die Gewinner durften eine normale Förderung beantragen (50.000 € als max. 35% der Produktionskosten). Die geringe Finanzausstattung für konkrete Projekte wird mittlerweile öffentlich kritisiert.

In Berlin gibt es ein Berlin Open Data Portal, das aber noch eine magere Datenausstattung hat. Unter Bildung sind nicht einmal alle Kindertagesstätten und Schulen verzeichnet. Es gibt auch ein Open Data Blog, aber der letzte Eintrag ist vom 17.2.2011. Es gibt auch einen Text „Berliner Open Data-Strategie“. Hierbei handelt es sich offenbar nicht um ein amtliches Werk des Landes Berlin sondern um einen Text, der von Open Data in Berlin erzählt. Im Open Data Kontext besonders skurril mutet es an, dass das Werk nicht als amtliches Werk nach §5 UrhG herausgegeben wurde, sondern unter Copyright der Fraunhofer Gesellschaft. Eine Verwertung des Textes bedarf der schriftlichen Zustimmung der Fraunhofer Gesellschaft. Ist das Open Data?

In Deutschland entwickelt sich Open Data schleppend. Die Bundesregierung hat sich geweigert, der Open Government Partnership beizutreten wie USA, UK oder Brasilien. Es hat sich zwar ein Open Data Network gebildet, aber ohne Beteiligung von Staat oder Wirtschaft. In München gab es seit 2010 eine Open Government Initiative MOGDy, deren Aktivitäten mittlerweile eingeschlafen sind.

Inzwischen hat die deutsche Bundesregierung einen eigenen AppStore eröffnete: GovApps.de. Dort finden sich spannende Anwendungen z.B. unter der Kategorie Bildung das Mensa-Essen in fünf Hochschulen in Münster/Westfalen oder unter Familie die Stadtreinigung in Hamburg (als Webapp, Android und iOS)  und die Theater in Köln (für Android und iOS). Im November 2012 stellte das Zweite Deutsche Fernsehen für das von der Fraunhofer Gesellschaft betriebene Portal fest, es gäbe für NRW 24 Anwendungen, für Berlin 6 Anwendungen bei ca. 500 Besuchern je Tag. Es wurde kritisiert, dass es keine Windows Apps gäbe, dass die Chance vertan wurde, ein Open Data Portal gleich mit einzurichten. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass England weiter sei.

Für die deutschen Kommunen hat die KGSt® (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement) eine Initiative gestartet, in der ein Positionspapier zu Open Data entwickelt wird.

Im Projekt Code4EU werden ab 2013 in einzelnen europäischen Städten „Fellows“ für 9-12 Monate bei einer Bezahlung von 10.000-40.000 € arbeiten. Diese Initiative wird aus dem akademischen Raum mit finanzieller Förderung der EU getrieben. Auch das Projekt Code4America wird aus der Zivilgesellschaft heraus getrieben und hauptsächlich über Stiftungen finanziert. Es wird versucht, über einen Bottom-Up-Approach dem Staat ohne Staatsbeteiligung zu helfen.

Zahlreiche Open Data Portale sind entstanden, die aber meist nur primitive Datensammlungen veröffentlichen und noch bei weitem nicht das öffentliche Potenzial ausbeuten. Beispiele: open-data.europa.eu, data.gv.at, daten.berlin.de. Hier muss der Bürger weiter ohne Unterlass fordern, dass die Daten, deren Entstehung er bezahlt, auch von ihm genutzt werden können. Das Demokratiemodell der westlichen Demokratien lässt nicht zu, dass die Verwaltung sich über den Bürger hinweg setzt. Sie hat dem Bürger zu dienen: Das meint der Begriff „Public Service“.

In Deutschland hat es die regierende, große Partei CDU (Christlich Demokratische Union) geschafft, auf ihrem Parteitag im Dezember 2012 in ihrem Programm Open Data und Open Government  nicht einmal zu erwähnen. Das ist nicht zukunftsfähig und wird wohl 2013 bei den Wahlen eine Korrektur erfahren. Wobei andere Koalitionen, wie Grün-Rot, auch nicht von alleine alles richtig machen. Die schleppende Entwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes in Baden-Württemberg ist ein mahnendendes Beispiel (siehe auch Vortrag Jörg Tauss zu IFH auf dem 29. Chaos Computer Club Congress Ende 2012 in Hamburg). Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Peter Schaar kritisiert, dass das Informationsfreiheitsgesetz nur unbefriedigend umgesetzt worden ist und Open Data mit der Informationsfreiheit gedeckt sein müssten („Open Data: Transparency by Default“). Auch die Briten sehen Open Data in engem Zusammenhang mit ihrem Freedom of Information Act, wobei Datenschutz/Privacy eine konstituierende Rolle spielt. Transparenz des Regierungshandelns sei notwendige Voraussetzung für das Vertrauen der Bürger in die von ihnen bestellte Regierung.

Während es Deutschland also an Bewegung und Management Attention fehlt (die Kanzlerin zeigt für Open Data keine Leadership), es keinen zentralen intellektuellen Ansatz gibt und es nur einige wenige Apps mit lokaler und wenig datenreicher Applikation gibt, sieht das im Vereinigten Königreich völlig anders aus.

Im Vereinigten Königreich ist das Thema Open Data Chefsache und wird auch Top-Down getrieben. Im Cabinet Office (Whitehouse, hinter Downing Street 10, London) wurde Juni 2012 ein „Open Data White Paper – Unleashing the Potential“ von der Regierung Ihrer Majestät dem britischen Parlament vorgelegt. Francis Maude (Minister for the Cabinet Office and Paymaster General – sieh dazu Francis Maude in der Präsentation auf Youtube) verantwortet die britische Open Data Strategie. Das Papier gliedert sich in die Abschnitte: Building a transparent society – Enhanced access – Building Trust – Making smarter use of data – The future: a truly transparent society.

In einem klassischen Strategieprozess wird eine Vision aufgestellt und dann eine Strategie festgelegt, um die Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Dem Datenschutz/Privacy wird breiter Raum eingeräumt, mit dem Ziel, die Open Data Initiative erfolgreich werden zu lassen, statt sie an mangelhaftem Datenschutz scheitern zu lassen, aber auch, um sie nicht von Datenschützern zerreden zu lassen.  Organisatorisch wurde ein Open Data Strategy Board gegründet, das von einer Open Data User Group im Cabinet Office unterstützt wird.

Es lohnt sich, die Rede von Francis Maude vollständig anzuhören, da u.a. auch auf viele Beispiele, die weiter oben diskutiert wurden eingegangen wird. Das Bild kann angeklickt werden, um die Rede auf Youtube zu starten:

Zur Umsetzung sind auch alle Ministerien (Departments) verpflichtet selber eine Open Data Strategie aufzustellen und regelmäßig über den Fortschritt zu berichten. Die britische Regierung sitzt also bei Open Data selbst im Driver Seat, um Open Data aus staatlichen Klauen zu befreien und den Bürgern zu Verfügung zu stellen, damit sie davon Nutzen haben. Dabei geht man davon aus, dass die freien und frei verwendbaren Daten in Applikationen von der Wirtschaft ohne Lizenzkosten  genutzt werden können und mit der Freigabe, die Daten auch kommerziell nutzen zu dürfen.

Dabei verlässt sich die britische Regierung nicht nur auf jugendliche Hacker und junge Erwachsene, die mit schlechter Bezahlung ausgebeutet werden,  sondern involviert auch gut bezahlte Spitzenbeamte. Darüber hinaus hat die britische Regierung 10 Mio britische £ in die Hand genommen, um das Open Data Institut auszustatten, um den Prozess akademisch zu begleiten und Unternehmer wie Start-ups zu unterstützen. Als Direktoren konnten Sir Tim Berners-Lee (Erfinder des World Wide Web) und Professor Nigel Shadbolt von der University  of Southampton gewonnen werden, um das Institut in London anzusiedeln.

Für die Leser, die das Cabinet Office nicht kennen, sei gesagt, dass dort auch in einer Abteilung die Effektivität und Effizienz des britischen Regierungshandelns gesteigert werden. So wurden hier z.B. auch die Standards ITIL (IT Infrastructure Library – für den IT-Betrieb) und PRINCE2 (PRojects In Controlled Environments – für das Projektmanagement) entwickelt, verbreitet und als Best Management Practice gepflegt.

Das britische Beispiel zeigt ein erfolgreiches Modell, wie die Regierung ihre eigenen Daten dem Bürger zur Verfügung stellt, und dabei die Wirtschaft ins Boot holt, um für neuen Nutzen auch neue Geschäftsmodelle zu haben.

Der britische Ansatz deckt lokale, regionale und nationale Aspekte, wo Open Data bereitgestellt werden können. Es bleiben noch zwei Fragen, um mögliche Akteure  neben Zivilgesellschaft, Staat und Wirtschaft zu bestimmen. Zum einen haben wir den globalen oder supranationalen Aspekt. Kindertagesstätten, Schulen und Pflegeheime z.B. sind keine national einmaligen Einrichtungen. Es gibt sie überall auf der Welt. Das heißt für unser Umzugsszenario oben, dass man auch Umzüge über Grenzen hinweg denken kann: Was ist, wenn die Familie für drei Jahre nach Shanghai, China, geht? Sich im ehemaligen Empire frei bewegt: Indien, Kanada, Australien? Wenn eine Familie für ein Postdoc für drei Jahre nach Berkeley, Kalifornien, geht?

Die Datensuche ist dann global. Sind dann auch die Werkzeuge global? Denken wir bei der Konstruktion unserer nationalen Open Data Strategien global? Sind dann lokale Ergänzungen von OpenStreetMap opportun und nützlich oder werden sich auch hier Standards entwickeln?  Reicht es aus, nur die Datensätze zur Verfügung zu stellen?

Nur Daten bereitstellen oder auch Anwendungen?

Bisher denken die meisten Staaten nur darüber nach, Open Data als Rohdaten bereitzustellen in unterschiedlichen Formaten für lokale, regionale oder nationale Verwendung. Stellt man aber die Frage, ob wegen der globalen Nachfrage die Daten global gebraucht werden und das in einer einzigen Applikation, dann kommt man auch noch zu weiteren Akteuren, die eine Rolle spielen könnten.

Bei den Geodaten in Deutschland hat man beispielsweise gesehen, dass es in einem jahrzehntelangen Prozess nicht gelungen ist, Geodaten den Bürgern einfach und bundesweit zur Verfügung stellen. Langsame proprietäre Anwendungen in Brandenburg hatten beispielsweise Daten aus Berlin ausgeblendet und eingeschwärzt. Ein Portal EduGIS Brandenburg hat noch keine Daten für Kitas und Schulen.

Das Szenario der umziehenden Familie benötigt aber georeferenzierte Daten für Wohnungen, Häuser, Kitas, Schulen, Nahverkehr usw. Es geht aber nicht um die Frage, welche Postanschrift oder Telefonnummer eine Schule hat, sondern um Fragen, wie Sie Francis Maude stellt:“How good is my childs teacher? How safe is my neighborhood? How effective is my hospital? When is the bus coming?“ (Wie gut ist mein Lehrer? Wie sicher ist meine Nachbarschaft? Wie effektiv ist mein Krankenhaus? Wann kommt der Bus?).

Betrachtet man die Ergebnisse der vergangenen Jahre, dann ist nicht zu erwarten, dass (in Deutschland) der Staat alleine in angemessener Zeit einfach, nutzbare Anwendungen für die oben genannten Zwecke schaffen wird. Die Hinzuziehung der Zivilgesellschaft und Anwendungsentwickler auf Amateurbasis durch Wettbewerbe bringt ebenfalls keinen zügigen Fortschritt. Selbst beim akademischen Bereich muss man vorsichtig sein, da dessen Ziel es ist, Erkenntnisse zu generieren, nicht aber Nutzen. So verweist beispielsweise eine aktuelle Studie des Bundesministeriums für Inneres unter dem Titel „Open Government Data“ auf SAGA (Standards und Architekturen für E-Government Anwendungen). SAGA ist eine proprietäre, nationale Sammlung von Standards, die  im akademischen Raum ohne Machbarkeitsnachweis (wie bei Internetstandards üblich) entwickelt wurde.

So wurde zum Beispiel in der Version 2.0 (Seite 105) das deutsche Protokoll MTT (MailTrusT) Version 2 auf Basis von S/MIMEv3 für die Bundesverwaltung am Schreibtisch festgelegt. Allerdings wurde als Signatur-Algorithmus auch RIPEMD zugelassen. Der ist aber nicht compliant zu S/MIME. Statt große, global tätige E-Mail-Hersteller zu beteiligen, wurde ein nicht lauffähiger, nationaler Standard definiert, der dazu führte, dass die Einführung qualifiziert signierter E-Mail in der deutschen Bundesverwaltung in den 2000er Jahren scheiterte und die Investitionen ohne Nutzen blieben. In UK sind dagegen E-Mail mit einfacher Signatur (Elektronische Signatur/Electronic Signature nach EU-Richtlinie 1999/93/EC „Signaturrichtlinie“) rechtsverbindlich, also man schreibt seinen Namen hin oder fügt eine eingescannte Unterschrift ein.

Erste Schritte des Zugehens auf professionelle Entwickler sieht man zum Beispiel bei Google Maps. Dort findet man seit einiger Zeit Geodaten des Bundesamtes für Karthographie und Geodäsie.

Denkbar wäre also auch bei weiteren Open Data Aktivitäten eine Beteiligung von z.B. Google (oder Microsoft) in zwei Varianten, weil z.B. Google bewiesen hat, dass sie global skalierende Modelle kreieren können, leistungsfähige Plattformen für schnelle Applikationen unterlegen können und auch die Administration komplexer Schreibrechte beherrschen :

Variante 1

Google und einige Core Countries (z.B. USA, UK, D, Brasilien, Kongo, China) schließen sich in einer Public Private Partnership (PPP)zusammen, beschließen Standards für die Anwendungsdaten mit dem größten Nutzen und ihre Präsentation (siehe Szenario oben mit Transaktionen von mehreren hunderttausend $/€/£ Wert) und bauen eine globale Anwendung. Zur Finanzierung sollten auch neuartige Geschäftsmodelle herangezogene werden, z.B. mit Werbung finanzierte. Der Datenschutz/Privacy hätte die Chance, in einem globalen Mindestmaß statt in regionaler Isolation statt zu finden.

Variante 2

Die Core Countries steigen nicht mit in ein PPP mit ein, verpflichten sich aber, die Daten standardisiert zu liefern und zu pflegen. Google (oder jemand andres) verpflichten sich, die Anwendungen zu entwickeln und zu betrieben. Für den Endnutzer (z.B. die umziehende Familie) sollte sie kostenlos sein. Mobile Usability hat hohen Wert, sollte aber nicht im Vordergrund stehen. Mit Priorität 1 sollte der Nutzen in den Fokus genommen werden.

Natürlich erwarten dann die Nutzer, dass die Applikationen kostenlos angeboten werden. Daher muss ein tragfähiges Geschäftsmodell gefunden werden. Die Verschärfung der Nutzungsbedingungen bei Google Maps von kostenlosem Anbieten zu kostenpflichtigen war da noch nicht der richtige Weg.

Sollten sich die Akteure nicht auf globalem Level für eine Anfangskonfiguration finden, wäre es auch denkbar auf regionalem Level zu starten, z.B. auf der Ebene der EU. Die öffentliche Hand hat auch ein großes Interesse daran, die Kosten für ihre Lernumgebungen zu minimieren. In dem Bereich der IT hat sich bei der EU ein europaweites koordiniertes Vorgehen bewährt, was aber nicht zur europäischen Isolation führen darf.

Das ist eine spannende Herausforderung, aber wir werden uns (wie Francis Maude es sagte) später fragen, warum wir nicht schon früher die Schätze unserer im Public Service vorhandenen Daten genutzt haben.

Welche Hemmnisse gibt es?

Weltweit ist zu beobachten, dass das Thema Open Data mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten sich entfaltet. Ist es in UK in der Regierungsspitze verankert und wird mit Verve vorangetrieben, sind die ersten deutschen Aktivitäten schon wieder ergebnislos eingeschlagen (z.B. Mogdy). Natürlich stehen auch viele Hemmnisse wie bei jedem Wandel entgegen. (Mit „Change“ und „Yes we can“ kann man aber auch politische Wahlen gewinnen). Zwei sollen hier beleuchtet werden. Die kulturellen und die urheberrechtlichen Hemmnisse.

Kulturelle Hemmnisse

Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sind es gewohnt, Gesetz zu exekutieren. Diese mögen von Gott, dem Kaiser oder der Queen kommen, sind aber vorgegeben. Nun aber stellt man die Forderung auf, dass sie sich selbst Gedanken machen sollen, dass mit den Daten, die sie auf Basis von Gesetzen sammeln, neuer Nutzen gestiftet werden soll. Das ist eine neue Herausforderung, die Zeit braucht, um gemeistert zu werden.

In manchen Staaten hat es lange gedauert, bis das Internet im Public Service genutzt wurde. Selbst Microsoft braucht bis 1996, um das Internet zu unterstützen, während Wettbewerber längst unterwegs waren. Wirtschaft und Bürger dagegen haben sehr schnell das Internet genutzt und Transaktionen über viele Milliarden €/$/£ durchgeführt. Facebook hat über eine Milliarde Nutzer weltweit, während deutsche Regionaldatenschützer Facebook bekämpfen, statt Datenschutzprobleme zu lösen. Mittlerweile wird öffentlich diskutiert, ob nicht unter dem Label Datenschutz mit Steuermitteln antiamerikanische Verschwörungstheorien produziert werden.

Um ein weiteres Beispiel für die Widerstände gegen Wandel zu geben, sei an die 1980er Jahre erinnert. In den USA breitete sich das Internet sehr schnell aus, die ersten Hacker tauchten auf und die ersten Würmer. Der Public-Domain-Code für TCP/IP wurde integriert in die Unix-Workstations von Sun, Apollo, DEC, IBM usw, so dass die Hochschulen kostenlos die Software hatten. Die Deutsche Bundesregierung aber weigerte sich (BMFT), die Hochschulen an das freie Internet anzuschließen, sondern forderten, dass die Hochschulen zur Vernetzung die OSI-Protokolle nutzen sollten. Das waren theoretische Protokolle der staatlichen Telekommunikationsprovider, die alte Technologien wie FAX und ISDN in die Neuzeit retten wollte. Die Hochschulen aber widersetzen sich den Geldgebern und schlossen sich pragmatisch dem Internet mit freien Protokollen an. So kam ich 1988 zum Internet und habe 2013 mein 25-jähriges Jubiläum. Wenig gegenüber der Amtszeit Ihrer Majestät der Königin von England, aber immerhin.

Aber die zähe, gegen den Bürger gerichtete Politik kam auch 2012 wieder auf, als die ITU-Verhandlungen scheiterten, als die ehemaligen Versager auf der WCIT-Konferenz im Dezember 2012 in Dubai wieder das Internet kapern wollten. Genützt haben diese retardierenden Momente einiger Weniger nichts. Sie haben den Bürger nur unnütz Zeit und Geld gekostet, wie man am exorbitanten Erfolg des Internets sieht.

Eine andere Nebenwirkung oder Hauptwirkung von Transparenz soll auch nicht verschwiegen werden, wenn mit wenigen Klicks sichtbar wird,  dass bestimmte Wohnbezirke zwar preiswerte Mieten haben, aber hohe Kriminalität aufweisen, die Schulen und Kitas schlecht sind, die Anbindung an den öffentlichen Personenverkehr schlecht ist, dann sind Miet- und Kaufobjekte für den Bürger unattraktiv. Das kann erhebliche ökonomische Nachteile für den Eigentümer, aber auch für die öffentliche Hand haben. Im Extremfall müssen dann einzelne Siedlungen „aus dem Markt genommen werden“, also abgerissen werden, wobei der Staat vielleicht noch Geld bezahlen muss für den Abriss. Dies ist so seit Beginn der 2000er Jahre in Ostdeutschland so, wo viele Plattensiedlungen abgerissen wurden (im Land Brandenburg bis zu 55.000 Wohnungen: Eberswalde,  Cottbus 6.000 Wohnungen; Halle; in Sachsen ca. 100.000 Wohnungen; Sachsen-Anhalt, usw.). Hier aber kann ein Verschweigen der tatsächlichen Lage oder Verheimlichen von Risiken durch den Staat nicht die Alternative sein. Nur durch Transparenz kann der Staat das notwendige Vertrauen des Bürgers gewinnen, selbst wenn er viele Steuern dafür verwenden muss, Sozialwohnungen abzureißen.

Mittlerweile ist es aber so, dass Bürger immer weniger Verständnis dafür haben, wenn ihre Steuern nicht optimal genutzt werden. Von vielen Mitarbeitern im Public Service wird die Internetnutzung aber heute auch als selbstverständlich gesehen, so dass es immer leichter wird, First Mover für Open Data Aktivitäten zu finden. Voraussetzung dafür ist aber auch die Management Attention.

Urheberrechtliche Hemmnisse

In den USA ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Forschungsergebnisse, die die Bürger finanzieren, auch den Bürgern gehören. Auch sind die Arbeitsergebnisse der US-Regierung vom Urheberrecht ausgenommen. Sie sind in der Public Domain und nicht urheberrechtlich schützbar. Dies hat seine Wurzeln im römischen Recht, nach dem die res communes, res publicae und res universitatis nicht in privatem Eigentum sein können, worauf z.B. Carol M. Rose 2003 in einem Artikel hinwies. Das bekannteste Beispiel für die Public Domain heutzutage ist des Internet TCP/IP-Protokoll. Im Auftrag des US-Militärs entwickelt, ist es heute der lizenzfreie Rückgrat/Backbone des gesamten Internets.

Im Vereinigten Königreich drängt auch die Regierung darauf, dass nicht nur öffentlich finanzierte Forschungsergebnisse sondern auch von Wohlfahrtsorganisationen (Charity)  frei zugänglich sein sollen (zumal Stiftungen durch erhebliche Steuererleichterung staatlich gefördert werden.

Aber auch im deutschsprachigen Zentraleuropa sind amtliche Werke kein Gegenstand des Urheberrechtsschutzes. In Deutschland macht der §5 Urhebergesetz (UrhG) im Absatz 1 klare Ansagen:

„(1) Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen und amtlich verfaßte Leitsätze zu Entscheidungen genießen keinen urheberrechtlichen Schutz.“

Jedes Datum (Open Data), das als amtliche Bekanntmachung veröffentlicht wird, genießt also keinen Urheberrechtsschutz. Zwar sieht der Bundesgerichtshof auch bei amtlichen Datenbanken, dass nach §5 UrhG kein Urheberrechtsschutz vorliegt, dies ist aber wegen unvollständiger EU-Rechtssetzung noch umstritten. Hier sollte die Rechte also analog zu den privaten Datenbanken, dem die Rechte zufallen, der die Investitionen trägt, also dem Bürger.

Auch in Österreich gibt es eine analoge Regelung im §7 des österreichischen Urhebergesetzes: „(1) Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlässe, Bekanntmachungen und Entscheidungen sowie ausschließlich oder vorwiegend zum amtlichen Gebrauch hergestellte amtliche Werke der im § 2 Z 1 oder 3 bezeichneten Art genießen keinen urheberrechtlichen Schutz.“ Auch in der Schweiz heißt es im Artikel 5 des Urhebergesetzes ähnlich.

Somit steht im öffentlichen Recht der urheberrechtsfreien Verbreitung von Open Data als Bekanntmachungen von  amtlichen Werken rechtlich fast nichts im Wege. Problematisch ist noch der Urheberrechtsschutz von Datenbanken nach §87a und folgende. Dort wird dem Datenbankhersteller ein Urheberrecht eingeräumt als demjenigen, der die Investition trägt. Bei Datenbanken der öffentlichen Hand trägt der Bürger mit seinen Steuern die Investition. Daher sollten hier die urheberrechtlichen Bestimmungen geschärft werden, dass auch Datenbanken der öffentlichen Hand (wie auch geografischen Karten) nach §5 UrhG diese als Amtliche Werke keinen Urheberrechtsschutz genießen, sondern gemeinfrei sind.

Im Privatrecht haben sich Lizensierungsverfahren nach Creative Commons herausgebildet für die Lizensierung digitaler Inhalte. Creative Commons bietet ein komplexes Gefüge von Lizensierungsmöglichkeiten (z.B. Namensnennung, Veränderbarkeit, kommerzielle Nutzung). Man kann aber nur das lizensieren, an dem man Rechte besitzt. Urheberrechtsfreie amtliche Werke kann man aber nicht lizensieren. Deshalb ist die Nennung von CC im Zusammenhang mit Open Data meist unsinnig und eine zusätzliche Behinderung, die vom Gesetzgeber eben nicht gewollt wird (siehe oben.).

Zusammenfassung und Ausblick

Überall auf der Welt haben sich Open Data Aktivitäten entwickelt mit unterschiedlichem Impact in einzelnen Nationalstaaten. Leider sind manche Datensätze hart an der Grenze zur Trivialität, so dass mancherorts die Aktivitäten schon wieder einschlafen. Um dem entgegen zu wirken, wird anhand eines Szenarios (Umzug einer Familie mit fünf Personen in einen entfernten Ort) gezeigt:

  • welche Daten gebraucht werden,
  • welche Daten der Staat aus seiner normalen Tätigkeit schon hat,
  • wie diese Daten zugänglich gemacht werden können und
  • welche Akteure erfolgreiche Projekte versprechen.

Hinter dem Szenario stecken Transaktionen mit einem Wert von mehreren hunderttausend €, die durch Open Data erheblich beeinflusst werden können, anders als die bisherigen Kleintransaktionen wie öffentliche Toiletten oder Theaterspielpläne oder Mensa-Speisepläne. Verglichen aber mit den „Grand Challenges“ wie Erderwärmung oder demographischem Wandel sind sie immer noch von mittlerem Ausmaß, aber größerer Häufigkeit.

Bestehende Hemmnisse werden erörtert und diskutiert wie sie überwunden werden.

Optimistisch aber kann mit amerikanischer Leichtigkeitt sagen: There is always room for improvenment. Auch wenn heute schon die ersten Aktivisten frustriert die Straßenränder säumen. Auch wenn die Widerstände größer scheinen als die Kraft der Aktivisten, sie zu überwinden. Mitarbeiter der Verwaltung, die heute noch meinen, sie könnten Open Data verhindern, werden ähnlich scheitern wie die ITU-Kämpfer mit OSI oder Don Quijote/Quixote mit seinen Windmühlen. Wie bei Einführung des Internets werden auch sie sehen, dass sie auch selbst von Open Data profitieren werden, wie auch ihre Kinder, wie ihre Verwandten, wie alle Bürger.

Ähnlich wie bei den Widerständen gegen das Internet vor 25 Jahren haben wir heute noch wenig Ahnung, wie die faszinierenden Möglichkeiten des Internets in einigen Jahren sein werden. Wie unsere Leben mit Open Data einfacher, transparenter, effektiver, effizienter, reicher werden wird. Unabhängig von Stand, Einkommen, Standort.

The future is bright and open.

Bildquellen

Weiterführende Quellen

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8 Antworten auf Open Data: die nächste Runde

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  2. Hallo Herr Ksoll,

    Erst mal ganz herzlichen Dank für die Fundgrube an Informationen und Anregungen, die in diesem unglaublich aufwändigen Beitrag stecken! Eine Frage habe ich zum Abschnitt: „Wer soll es machen?“ Sie erwähnen vor allem die öffentliche Hand, aber was ist mit Medien ? Regionalzeitungsverlage oder Lokalsender würden doch immens davon profitieren, wenn sie für servicebasierte Anwendungen Zugriff auf offene Datensätze hätten (und ich würde dabei auch die Standorte mit den Qualitäten öffentlicher Toiletten nicht geringschätzen). Müssten Journalisten und Medienmanager im eigenen Interesse nicht viel mehr Druck auf den Gesetzgeber ausüben, Daten per default offen zu legen? Was ist Ihre Meinung dazu?

  3. Hallo Frau Langer,
    herzlichen Dank für die Blumen 🙂

    Zu der Frage „Wer soll es machen?“ lässt sich ein eigener Roman schreiben. In Kürze:

    1.) Wir sind noch in einer Phase, wo auch und gerade Journalisten darauf drängen müssen, dass wir ordentliche Informationsfreiheitsgesetze bekommen und diese auch gelebt werden, anstatt durch Gebührenterror durch die Verwaltung boykottiert zu werden. Datenhaltung muss in Zukunft verwaltungsintern elektronisch erfolgen und auf Open Data designt sein (Datenschutz, Geheimnisschutz, usw.). Dann sollte die Veröffentlichung nahezu kostenlos sein.

    2.) Die aktuelle Situation ist unbefriedigend, da nur Rohdatensätze veröffentlicht werden, mit z.T. auch noch non-commercial Lizenzen (absurd) und wenig Nutzen für den Bürger.

    3.) Es kann für eine Kommune attraktiv sein, mit einer schicken Karte (Google oder Bing oder Openstreetmaps) Daten für einen einfachen Zugriff zur Verfügung zu stellen (über Kindergärten, Schulen, Pflegeheime (Mona, Lisa und Opa, s.o.)). Dann kann es sein, dass die Kommune durch Zuzüge profitiert, auch materiell durch höhere Steuer-Zuweisungen aufgrund von Einwohnerzahlen.

    4.) Natürlich bieten sich da auch Felder für Datenjournalisten an. Bei sterbenden Zeitungen ist die Suche nach tragfähigen Geschäftsmodellen nicht einfach. Ich persönlich könnte mich da mit Modellen der Kulturflatrate oder öffentlich-rechtlichen Journalisten anfreunden. Bei ZDF und ARD funktioniert das sehr gut und ich freue mich immer über das hochwertige Angebot von ARTE. Aber auch werbefinanzierte Modelle wie ProSiebenSat1 sind tragfähig. Dazu habe ich auch was in meinen Urheberrechtartikeln geschrieben.

    5.) Es wird auch andere kommerzielle Nutzungen geben, die Open Data als Wertanreicherung nutzen. Auch da wird man ggf. Datenjournalisten brauchen. Man wird vielleicht auch zwischen Einmalaktionen und Dauerbetrieb unterscheiden. Stellen Sie sich z.B. einen Fond vor, der Investoren für ein Objekt sucht, der Umgebungsdaten des Objektes in einen interaktiven Prospekt einbindet. Die Harry-Potter-Filme haben mit den Zeitungen klar gemacht, was möglich ist 🙂 Ein Immobilienportal wird eher für Kauf und Miete im Dauerbetrieb arbeiten, um die Investitionen auf viele kleine Transaktionen zu verteilen.

    6.) Natürlich habe die öffentlichen Toiletten ihren Wert (pro Usage 0 bis 100 Cent). Verglichen mit den Umsätzen bei einem Umzug sind sie gering (da kann man leicht 300.000 für den Hauskauf und 100-200 T€ für die falsche Schule ansetzen. Auch hier werden wir uns angewöhnen könne, auf das Geld zu achten.

    Das große Risiko aber bei den Toiletten ist, dass wir begeisterte junge Menschen ohne Not verbrennen. Die machen Ruckzuck eine geile App und wenn dar der nächste, größere Schritt kommen soll und die auf eine zähe, manchmal boykottierende, Verwaltung stoßen, werden die frustriert und wenden sich mit Grauen (und auch ohne angemessene Finanzierung) ab. Das gilt es zu vermeiden und die richtigen Strukturen zu finden, um die passenden, begeisterten, ambitionierten Leute zu geilen Ergebnissen bei tragfähigem Business Case zusammenzubringen .

    7.) Da aber viele der Dinge erst noch im Fluße sind, halte ich es für gut, wenn neben anderen auch die Öffentliche Verwaltung aktiv auch ein wenig mitgestaltet am Anfang hinsichtlich der Präsentation der Daten, so wie wir heute ja auch bei Google Maps sehen, dass da amtliches Datenmaterial mit verwendt wird.

    Ich habe mich gestern an einer neuen Rede von Francis Maude aus dem Cabinet Office Ihrer Majestät der Königein von England berauscht. Anders als im Julius Caeser von Shakespeare, wo der Marc Anton in seiner berühmten Rede („Friends, Romans, countrymen, lend me your ears …“) Ambitioniertheit noch negativ attributierte (“ But Brutus says he was ambitious; And Brutus is an honourable man. „), kamen bei Francis Maude Aussagen wie:
    „Let’s be ambitous!“ und auch „Nobody will left behind!“.

    Ich denke, wir werden da eine spannende Zeit haben und halte es mit Johannes Rau in seiner Regierungserklärung 1980: „Mut zur Zukuft!“

  4. Walter Keim sagt:

    Für die nächste Runde ist es notwendig die Gemeinsame Erklärung zu unterschreiben: Den Standard endlich auf “Offen” setzen!
    Zugängliche Plattformen und offene Lizenzen für unsere Daten!
    http://not-your-govdata.de/

  5. Rolf Lührs sagt:

    Ein sehr anschaulicher und informativer Artikel – vielen Dank! Eine Ergänzung bzw Korrektur im Hinblick auf Geodaten und die hier erwähnten „Technologien“. Die öffentliche Hand bräuchte nicht auf kommerzielle Dienste bzw. Open Street Maps zurückgreifen, würde sie ihren eigenen Geodatenschatz öffnen. Karten könnten aus dem amtlichen ATKIS-Daten (Amtliches Topographisch-Kartografisches Informationssystem) der Landesvermessungsämter der Länder und des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie (bkg) abgeleitet werden. Für viele Anwendungen wäre das die erste Wahl, alleine schon, weil man so gewährleisten kann, dass die Straßen und Ortsbezeichnungen auch wirklich korrekt sind. Wie das aussehen kann hat bspw. geoGlis mit onmaps (http://hetzner1.onmaps.de/index.php) gezeigt – für den sie die entsprechenden Daten aber käuflich erworben hat. Für unser Projekt zum Ausbau des Stromnetzes, hoechst-spannend.de (http://hoechst-spannend.de/index.php?id=11), hat geoGlis den Dienst freundlicher Weise kostenlos zur Verfügung gestellt.

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