Gotische Kathedralen: Notre-Dame de Paris – Open Data?

Notre Dame de Paris – Ostern 2014

Gotische Bauwerke als ganz spezieller Teil des Weltkulturerbes üben eine ganz eigenartige spirituelle aber auch touristische Attraktion aus. Im Rahmen der Gotikreihe heute soll im Kernland der Gotik ein besonders schönes Prachtstück gezeigt werden: die Kathedrale Notre-Dame de Paris, die nach den z.T. katastrophalen Zerstörungen der französischen Revolution heute ein besonders begehrtes Ziel für Touristen im Herzen von Paris ist. Auch soll die Rolle des Romans „Der Glöckner von Notre Dame“ für den Erhalt der Kathedrale beleuchtet werden.

Lage

Die Kathedrale Notre-Dame de Paris liegt im Herzen der Hauptstadt Frankreichs auf der Ostspitze der Seineinsel Île de la Cité. Der Domvorplatz markiert das geografische Zentrum Frankreichs, auf den sich alle Entfernungsangaben beziehen. Schon im 6.ten Jahrhundert waren Vorgängerbauten an dieser Stelle errichtet worden. In vier Bauphasen von 1163-1345 erfolgte die gotische Prägung.

Das Satellitenfoto zeigt die zentrale Lage, die in Paris durch die Seine strukturiert wird. Am linken Bildrand der Eiffelturm, dann der Invalidendom, oben die Tuilerien (Jardin des Tuileries) an der Avenue des Champs-Élysées. Südlich der Seine erkennt man auch den Garten des Medici-Palastes Palais du Luxembourg. Die Île de la Cité beherrbergt dann nicht nur Notre Dame („Unsere liebe Frau“) sondern auch den Justizpalast, die Polizei und auch ein Krankenhaus. So war sie schon im Mittelalter Zentrum der Stadt und immer auch innerhalb der Stadtmauern.

Südlich der Insel schließt das geistige Zentrum der Stadt an mit der Universität von Paris, zu der u.a. auch die Sorbonnes gehört.

Nach Westen hin stehen wie üblich (in der Gotik) zwei Türme an denen auch das Hauptportal ist. Die Aufnahme aus Google Streetview zeigtt auch, dass die Westseite auch für den Verkehr erschlossen ist.

 

Das 3D-Modell in Google Earth zeigt sehr schön den östlichen Teil der Kirche von schräg oben. Gut erkennbar sind die für die Gotik typischen Strebepfeiler, die die Schubkräfte und das Gewicht des Daches und des Gewölbes (Gewölbeschub) nach unten abführen, da die Mauern das aufgrund der Größe der Fenster alleine nicht schaffen. Der Chor der Kirche wird durch eine Garten abgeschlossen. Nebenbei sei bemerkt, dass nahezu ganz Paris in Google Earth als 3D-Modell hinterlegt ist.

 

Gebäude

Im Grundriss der Kathedrale sieht man, dass sie fünfschiffig ist mit zahlreichen Kapellen an den Seiten (so dass sie fast siebenschiffig wirkt, da auch der Chorumgang die Kapellen fortsetzt), was sich auch hinten im Chor im Osten fortsetzt. Eine Vierung mit Querhaus macht die Kreuzform vollständig.

 

Den schönsten Blick auf das gesamte Bauwerk hat man auf der Erde vom südöstlichen Seineufer aus.

 

Besonders ausgeprägt ist der gotische Stil an der Fassade der westlichen Türme mit drei Portalen (Dreifaltigkeit) und dem Figurenschmuck, wie es sich in der Hochgotik entwickelte. Zunächst fand man immer Figuren aus der Bibel (sehr viele Darstellungen auch aus der Apokalypse nach Johannes), dem Strebewerk und der Rose in der Fassade.

Von Rosen und Rosetten

Erinnert sei hier an die vielschichtige Bedeutung der Rose. Umberto Eco hat seinen Roman „Der Name der Rose“ (der zur Hochzeit der Gotik spielt) enden lassen mit dem Satz „Stat rosa pristina nomine, nomina nuda tenemus“ („Die Rose von einst steht nur noch als Name, uns bleiben nur nackte Namen“) von Bernhard von Cluny oder auch Bernhard von Morlaix, einem Dichter, Satiriker und Verfasser geistlicher Lieder. In der Scholastik wurde aber auch die Rose als Metaphorik für die Gottesmutter Maria diskutiert. Manche deuten das auch geschlechtsspezifisch. Die Gotik jedenfalls hat den Rosen eine perfekte runde Geometrie in Stein gegeben. Die Fassade von Notre Dame gehört jedenfalls zu den prächtigsten, die in der Gotik geschaffen wurden. Mehr zur Rosensymbolik („Es ist ein Ros‘ entsprungen“, Rosenkranz, etc.) findet man hier. Von den Römern wird tradiert: „Die Rose galt als sexuelles Symbol der Frau„.

Wasserspeier

Als Wasserspeier am Rande des Daches findet man häufig bei gotischen Kirchen Dämonen und Drolerien. Im Mittelalter hatten sie den Zweck, ihresgleichen von der Kirche abzuschrecken und fernzuhalten. Ulrich Conrads z.B. hat das 1950 in seiner Dissertation erforscht. Regina E. G. Schymiczek hat das in jüngerer Zeit architekturhistorisch dargestellt.  In der Gotik wurde es schick, mit solchem Nippes Späßchen zu treiben.In Exeter und Brandenburg/Havel z.B. sieht man auch Dämonen und Narren auf die Innenraum-Gewölbe gemalt. In Köln am Dom zeigt sich z.B. auch ein Ziegenbock, wohl als Vorlage für den 1. FC.

Einen theologischen Grund dafür gab es nicht. Eine Passage der um 1124/25 von Bernhard von Clairvaux (Ordensheiliger der Zisterzienser, der sich dem Prunkt der Bendiktiner von Cluny entgegensetzte) verfassten Apologia, worin er unter anderem den Bauluxus romanischer Kirchen kritisiert: :

“ … was machen dort jene lächerlichen Monstrositäten, die unglaublich entstellte Schönheit und formvollendete Häßlichkeit? Was sollen dort unreine Affen? waswilde Löwen? was monströse Zentauren? was Halbmenschen? was gefleckte Tiger?was kämpfende Krieger? was blasende Jäger? Da siehst du unter einem Kopf vieleKörper und da auf einem Körper viele Köpfe. Man sieht hier an einem Vierfüßlerden Schwanz einer Schlange, dort an einem Fisch den Kopf eines Vierfüßlers. Dorteine Bestie, die vorne ein Pferd ist und hinten eine halbe Ziege; dort ein Tier mitHörnern vorn, hinten aber ein Pferd. Mit einem Wort, so viel, so wunderbare Mannigfaltigkeit verschiedenartiger Geschöpfe erscheint überall, daß man eher in den gemeißelten als in den geschriebenen Worten liest; sich lieber den ganzen Tag damit beschäftigt, derlei zu bestaunen als das Gesetz Gottes zu bedenken. Bei Gott! Wenn man sich der Albernheiten schon nicht schämt, warum gereuen dann nicht die Kosten?“
(Zitiert nach Karl Halbauer bzw. Zitiert nach BRAUNFELS, Klosterbaukunst (1969), S. 299 f.; vgl. BERNHARD VON CLAIRVAUX, Werke 2 (1992), S. 145 – 204 (Apologia ad Guillelmum Abbatem); hier S. 196/197.)

Neben dem irdischen Jokus, den sich die Handwerker mit den Figuren gönnten, kam es manch Theologen aber zupasse. Denn die schrecklichen Monster erzeugt bei den unbedarften Gläubigen, die in der Regel als Bauern nicht lesen konnten, gehörige Angst, die von den Theologen mit der Angst vor dem jüngsten Gericht verknüpft wurde. Hier ist insbesondere die Betonung die Geheime Offenbarung des Johannes zu nennen die viele Künstler bis hin zu Albrecht Dürer am Ausgang des Mittelalters zu angstvollen Apokalypsevisionen antrieben (sie Dürers apokalyptische Reiter). Dieser teleologischen Zeitgeist, der auf das Endziel des neuen Jerusalems zuarbeitete, war motivisch für viele künstlerische und theologische Diskurse bestimmend. Wieder ist Umberto Eco zu nennen. Im „Namen der Rose“ lässt der seinen Assistenten Adson an einem Portal der Abteikirche ob der dämonische Darstellungen in eine religiöse Vision verfallen, als er die Fratzen des Typanons studiert. Zum Beispiel besitzt die Abtei Saint-Pierre (Moissac) ein ähnliches Portal, das die Geheime Offenbarung figürlich darstellt.

Drolerie (Gargyle) an Notre Dame (Quelle: Florian Siebeck in Wikipedia)

Das Bild zeigt nebenbei auch den wunderschönen Ausblick vom Notre Dame Glockenturm auf Paris mit dem Eiffel-Turm im Hintergrund.

Ausstattung

Der fünfschiffige Innenraum ist mit kostbarer Ausstattung verziert. Man findet buntverglaste Fenster (Nachbauten). Die Farben für die Kathedrale in Chartres sollen Zwerge beschafft haben, die in den Alpen und Deutschland Bergbau betrieben im Auftrag der Republik Venedig. Siehe Film dazu auf Youtube.

Allerdings ist auch festzustellen, dass es in Notre Dame wesentlich dunkler ist als in der Abteikirche von St. Denis, von der man sagt, dass sie 1140 als erste den gotischen Stil einführte mit hohen Fenstern, deren Hauptfunktion es eben war, den Innenraum mit Licht zu fluten und mit der Höhe des Raumes das kommende Jerusalem im Himmel und seiner Erleuchtung zu illusionieren.

Chor mit Pieta (Quelle: Ksoll)

Im hinteren Teil des Chores findet sich hinter dem Altar eine große Pieta-Skulptur (Gottesmutter mit totem Sohn Jesus). Der Chor selbst hat eine traditionelle Chorbestuhlung für das katholische Establishment der damaligen Zeit.

Pieta im Chor von hinten (Quelle: Ksoll)

Bemerkenswert ist auch der Chorumgang bzw. die Chorschranke. Von 1300 bis 1350 schufen drei Künstler dieses Werk aus Holz.  Es zeigt die Erscheinungen des auferstandenen Jesus sowie sein Leben von der Kindheit bist zum Tod.

Chorumgang (Quelle: Ksoll)

Solche Reliefs an der Chormauer waren damals üblich, um der leseunkundigen Bevölkerung Geschichten näher zu bringen. Die nachstehende Abbildung ist aus der Basilika von St. Quentin, ca. 140 km nordwestlich von Paris. Sie zeigt das Martyrium des heiligen Quintinus.

Chormauer in Basilika St. Quentin (Quelle: Drailing)

Wertvolles güldenes Gepränge ist in der Schatzkammer zu finden. Als Reliquie wird die von König Louis 1239 erbeutete Dornenkrone von Jesus aufbewahrt.

Die Orgeln von Notre Dame (eine ist im Westen unter der Rose, eine im Chorraum) sind in mehreren Werken auf Youtube zu hören und zu sehen, so das man auch einen Eindruck von den liturgischen Möglichkeiten der Kirche bekommt:

Thomas von Aquin

In einer der südlichen Seitenkapellen findet sich ein Bild von Thomas von Aquin. Der italienische Dominikaner war einer der bedeutendsten Philosophen und Theologen sowie ein Hauptvertreter der Scholastik, mit der das wissenschaftliche Denken neu geordnet wurde. Er studierte und lehrte an der Universität von Paris im 13. Jahrhundert. Diese war damals eine Einrichtung der katholischen Kirche, bestehend aus mehreren Collegien wie dem Collège de Sorbonne im Quartier Latin.

Umberto Eco beschäftige sich in seiner Dissertation (siehe Literaturverzeichnis unten) mit der Ästhetik von Thomas von Aquin. Dieses geistige Umfeld der katholischen Kirche führte dann auch zu seinem Roman „Der Name der Rose“ (wobei der Name der Rose auch auf die Rose(tte) der gotischen Kathedrale anspielt als Symbolik für die Jungfrau Maria). Der Roman von Eco diskutiert unter anderem das Spannungsfeld von katholischer Pracht im Herzen der Macht (im Umfeld der Dominikaner-Mönche) auf der einen Seite und Armut und Askese wie es die Eremiten, die Franziskaner als Bettelmönche, oder die Waldenser und Katharer, die als Herätiker von der Inquisition gejagt wurden, auf der anderen Seite.

Thomas von Aquin (Bild in Notre Dame)

Thomas von Aquin präsentiert auch das theologische Zentrum Europas, das mit der Universität von Paris aber auch mit der Herausbildung der Gotik im Herzen Frankreichs eine Verschiebung des Zentrums von Rom weg zeigt, die im 14. Jahrhundert sogar im Wechsel des Papstsitzes nach Avignon gipfelte. Damit hatte Notre-Dame eine herausragende Rolle unter den gotischen Kathedralen in Frankreich, England und Deutschland in dieser Zeit.

Der Glöckner von Notre-Dame

Nach dem Hochmittelalter ging es dem Katholizismus nicht mehr so gut: Die Reformation spaltete die Christenheit, im Dreissigjährigen Krieg stießen die Christen aufeinander statt wie in den katholischen Kreuzzügen gegen Dritte und dezimierten die Bevölkerung Europas.  Die protestantischen Bilderstürmer wüteten als Kulturschänder und vernichteten europaweit wertvolles Kulturgut: „Gemälde, Skulpturen, Kirchenfenster und andere Bildwerke mit Darstellungen Christi und der Heiligen sowie weiterer Kirchenschmuck − teilweise auch Kirchenorgeln − aus den Kirchen entfernt. Die Bildwerke und Schmuckgegenstände wurden teils verkauft oder anderweitig in Privatbesitz überführt, teils vernichtet oder beschädigt“(Wikipedia). Auch Notre Dame wurde von den Bilderstürmern schwer beschädigt. 1728 wurden die bunten Fenster durch weißes Glas ersetzt im Zuge der Aufklärung“.Einen ähnlichen Furor hatten wir schon beim Xantener Dom im spanisch-niederländischen Krieg (Achtzigjähriger Krieg) gesehen.

1793 begannen im Rahmen der französischen Revolution zahlreiche Schändungen von kirchlichen Einrichtungen. In Notre Dame breitete sich der „Kult der Vernunft aus„. Voltaire geiferte „« écrasez l’infâme » („Zerschlagt die abscheuliche [Kirche]“)“ und im ganzen Land wurden Kirchen besetzt, Kunstwerke zerschlagen und geraubt sowie Wandmalereien aus ideologischen Gründen übermalt (siehe auch Dreiling für St. Quentin). Die Säkularisierung Napoleons brachte die Bauwerke des Katholizismus auf den Tiefpunkt, als alles staatlich konfisziert wurde, was nicht der Arbeit in der Pfarrei diente (was in Köln z.B. vielen Kirchen das Leben kostete, die zu Baumaterial geschändet wurde). Erst mit dem Konkordat von 1801 beruhigte sich die Situation etwas, zumal Napoleon Notre Dame auch braucht, um sich selbst zum Kaiser zu weihen.

Das öffentliche Bild änderte sich als Victor Hugo 1831 seinen Roman „Der Glöckner von Notre Dame“ veröffentlichte. Der missgestaltete Glöckner Quasimodo rettet mittels Kirchenasyl die Zigeunerin Esmeralda vor der Hinrichtung durch den Staat.

Festakt zu Esmeraldas Hinrichtung (Quelle: Glöckner von Notre Dame, 1939)

Der Roman beschreibt romantische die unglückliche Liebe Quasimodos, aber er zeigt nebenbei, das schon damals Zigeuner in Europa als minderwertiger Dreck behandelt wurden, schlimmer als einst die Sklaven im Römischen Reich. Heute muss man politisch korrekt dem tagesaktuellen Dogma der Mittelschicht folgend statt Zigeuner nun Sinti und Roma sagen, was aber nichts an der aktuellen rassistischen Politik der Nationalstaaten ändert, sondern eher geeignet ist, historische Fakten zu vernebeln und den Geist der Freizügigkeit in Europa zu zerstören.

Er zeigt auch die damals im Mittelalter noch vorhandene mächtige Verstrickung der katholischen Kirche ins staatliche Leben. Mit großem Pomp tritt man an, wenn Menschen von Staates Hand getötet werden sollen. Die Handlung ist auch kurz in diesem Artikel der Zeitung DIE WELT beschrieben: Notre-Dame ist noch beliebter als der Eiffelturm.

 

Folge des Romans war, dass man in romantischer, nationalen Wallung im 19. Jahrhundert sich dem Wiederaufbau von Notre Dame widmete und wir heute, wenn auch mit vielen Nachbildungen, die Kirche wieder so sehen können, wie sie erbaut wurde und ausgestattet war. Der Glöckner von Notre Dame wurde im 20. Jahrhundert mehrfach verfilmt mit der Folge, dass Notre Dame und Quasimodo heute immer noch weltweit bekannt sind.

Tourismus

Schon bei den Medici in Florenz philosophierten über Tourismus. Ziel war es, wenn das ursprüngliche Geschäftsmodell des kontinentalen Tuchhandels nicht mehr funktionierte, dass man dann genügend Reichtum angehäuft hatte, um massiv in Kunstschätze zu investieren, die dann Touristen anlockten (Da Vinci, Michelangelo etc.). Das ist ähnlich wie bei den Katholiken der Reliquienkult, der Pilger anlocken soll.

In Notre Dame werden täglich 50.000 und  jährlich 15. Millionen Besucher erzählt. Der Menschenstrom ist gut organisiert, so dass auch Ruhe und Besinnung suchende Gläubige nicht gestört werden. In ein solches Touristensetting ist auch der Roman „Die Madonna von Notre Dame“ (s.u.) eingebettet. Daneben gibt es natürlich auch große, feierliche Messen, wobei in Frankreich offenbar der lateinische Ritus noch mehr Freunde hat als in Deutschland. Ergänzt wird die Nutzung durch in der Kirche stattfindende Konzerte, wie man dem Online-Spielplan entnehmen kann (siehe auch Filme unten).

Was hat das mit Open Data zu tun?

Mit Aufkommen des Internet hat sich unsere Rezeption und Verständnis von Kultur verändert. Um viele gotische Bauwerke zu sehen müssen wir uns nicht mehr zu Fuß wie Hape Kerkeling auf den Weg nach Compostella auf dem Jakobsweg abmühen (man kann, wenn man will), sondern wir können das Internet bemühen. Langsam und mühselig werden wissenschaftliche Daten zu Open Data und größere Kreise als der Elfenbeinturm bekommen durch Open Access den Erkenntnisstand der Gegenwart mit.

An der Literatur wird sichtbar, wie mit riesigen Datenmengen ganz andere Erkenntnisse möglich werden und Google Books zeigt, dass ein riesiger Buchbestand schon online ist und damit elektronisch bearbeitbar ist. Sprachanalyse kann in ganz anderen Dimensionen gefahren werden. Eine Übersicht dazu unter dem Stichwort Digital Humanities gibt z.B. Gerhard Lauer: Die digitale Vermessung der Kultur.

Einen anderer Gefühl, welche Zugangsformen zu unserem kulturellen Erbe es geben kann, zeigt das Spiel Virtual Reality Notre Dame VRND. In Youtube kann man sich einen Eindruck von dem Spiel in einem Film zeigen lassen. Einen realen Rundgang mit klassischer Musik unterlegt kann man sich auf diesem Youtube-Film ansehen.

Die Gotikreihe hier soll ein Gefühl dafür geben, dass wir mit der Integration von Architektur, Theologie, Liturgie, Philosophie, Zeitgeschichte, Literatur, Film, Musik und anderen Disziplinen mit neuartigen Werkzeugen (Filmen, interaktiven Karten/Geodaten, Datenbanken bis hin zu Big Data) in ganz anderer Geschwindigkeit und Tiefe unser kulturelles Erbe besser verstehen und erhalten lernen.

Letztlich seien auch nicht die ökonomischen Wirkungen genannt: man wird mit Wissen langfristig kein Geld verdienen können (und auch keine Macht erhalten können). Man kann mit der Behinderung der Verbreitung von Wissen (durch Copyrights z.B.) die Ausbreitung verlangsamen, aber nicht verhindern. Geld wird mit anderen Dingen verdient: unser Wohlstand ermöglicht es uns, dass der Tourismus einer der blühenden Wachstumszweige ist, selbst in Deutschland. Die Touristen müssen alle anreisen, verpflegt werden und ggf. unterkommen. Klassische Geschäfte, die gut gehen, wenn das zu „konsumierende“ Kulturgut einfach zugänglich ist und durch offene Daten die Bürger die Freiheit haben, sich selber zu informieren, was für sie interessant sein könnte.

Big Data

Wir wissen heute noch nicht, was Big Data noch alles für Umbrüche ergeben wird. Aber schon dieser kleine Artikel zeigt die „Umwertung aller Werte“. Waren wir vor wenigen Jahren noch stolz, dass wir mit Wikipedia ein einzigartiges, vernetztes, multilinguales Nachschlagewerk geschaffen haben, dass sogar Einzug in die sonst hochgradig konservierten Schulen eingezogen ist, wo heute noch anachronistisch durch Ministerialbeamte in einigen Bundesländern Lehrern die Nutzung von Facebook verboten wird (was nichts rechtsstaatliches sein kann, da es in anderen Bundesländern mit gleichen Datenschutzgesetzen erlaubt ist).  So sehen wir hier in dem Artikel, dass die sequentielle Struktur von Wikipedia längst nicht mehr alles zeigt, was über ein bestimmtes Thema im Internet zu finden ist. Wir finden immer mehr crowdgesourcte multimediale Daten wie Filme, Blogs, Zeitunsgberichte, und und und.

Am Beispiel der Geodaten lässt sich der rasche Wandel zeigen. Noch im abklingenden New Econmy Hype Anfang der 200er Jahre, glaubten in vielen Bundesländern die Kommunen, mit Geodaten, deren Erstellung der Steuerzahler bezahlt hatte, ein zusätzliches Einkommen generieren zu können (auch angefixt durch Unternehmensberater wie hier in NRW 2001). Mittlerweile ist der Hype vorbei und Bundesland für Bundesland stellt seine Geodaten kostenlos zur Verfügung (oft immer noch mit Lizenzen, statt einfach als amtliche Werke nach §5 UrhG).

Aber die hochauflösenden kommunalen Daten (1:20, 1:50) interessieren nur wenige Speziallisten und noch weniger esoterische oder proprietäre Formate der ehemaligen Kartenmarktführer. Crowdgesourced und für jedermann kostenlos verfügbar entstand OpenStreetMap OSM, wo jedermann auch Änderungen vornehmen kann. OSM wächst auch und es wird immer reichhaltiger, aber wie Wikipedia kann es nicht mithalten mit der Flut von Daten, die uns heute zur Verfügung steht.

Doch so schön es ist, mit OSM kostenlos Online-Karten zu haben, so wenig ist es ein Ersatz für Google Maps oder Google Earth, bei denen bei gleichem Personalaufwand vielfach mehr Daten aufgeschlossen werden durch die Integration von Streetview, Panoramio, 3D-Modellen (siehe auch Artikel „Gotik und Goohle – ein Dreamteam“ und „Mit Google Earth die Welt erforschen„). Und für kleine Abfragezahlen von wenigen tausend ist die Nutzung kostenlos und die Preise weiterhin im Sinkflug.

Eine letzte Anekdote noch zu Verkehrsdaten: seit vielen Jahren kann man auf Google Maps in Großbritannien sich die Route von der King’s College Chapel in Cambridge (Karfreitag immer Händel-Konzerte) zur Kathedrale in Exeter so geht das seit vielen Jahren. Mit Bus, U-Bahn und Zug wird man über London  auf einen Weg in 4 Stunden geleitet (mit dem Auto dauert es etwas länger). In Frankreich kann man den Weg von Notre Dame zur Basilika nach St. Denis (erste gotische Kirche) auch schnell mit U-Bahn und RER finden (49 min.). In Deutschland sind immer noch nicht alle Verkehrsmittel integriert, z.B. wird von meinem geliebten Rumeln zum Dom in Schwerin für eine öffentliche Verbindung ein Auto vorausgesetzt, obwohl auch ein Bus des VRR zum Bahnhof in Duisburg fährt. Hier streitet man sich lieber, ob Verkehrsbetriebe, die der öffentlichen Hand gehören und von selbiger bezuschusst werden, ein zu versilberndes Urheberrecht auf ihre Fahrplandaten haben, anstatt Wohlstand und Fortschritt zu mehren.

Aber wir werden uns auf dramatische Umbrüche mit Big Data in Verbindung mit Open Data gefasst machen müssen. Nie war es einfacher, sich umfassend mit Gotik (und allen anderen Themen) zu beschäftigen. Nur hinfahren muss man noch selber, aber wir arbeiten daran: „Beam me up, Scotty!“.

Literatur

Links

Filme

 

 

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