Geheimdienste müssen global durch UN reguliert werden

Früher haben Geheimdienste durch Spionage den eigenen Staat vor kriegerischen Auseinandersetzungen geschützt.Nach ersatzlosem Wegfall des kalten Krieges haben sie sich unter dem Tarnmantel der Terrorbekämpfung darauf verlegt, weltweit die Bevölkerung vollständig, auf Vorrat, anlasslos, ohne Verdacht auszuspionieren, nach der einzigen Maßgabe, dass umgesetzt wird im Geheimen, was technisch möglich ist.

Degradierung von Alfred Dreyfus 5.1.1895. Gemälde von Henri Meyer. Public Domain.

Damit sind sie weltweit zur Gefahr für Demokratie und Freiheit geworden. Sie müssen eingedämmt werden wie damals die Gefahr eines Atomkrieges nach Aufkommen und Einsatz der Atombomben gegen Zivilisten eingedämmt werden musste. Hier wird nun eine globale Regulierung durch die Vereinten Nationen (UN) vorgeschlagen analog zu den Genfer Konventionen, dem Atomwaffensperrvertrag, dem Chemiesperrwaffenvertrag, der WTO und der WIPO.

Inhalt

Der eilige Leser kann hier schnell zu den einzelnen Abschnitten springen:

Geschichte der Geheimdienste | Arbeitsgebiete:
1 Spionage zum Schutz des Staates als Ganzes
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2 „Terrorbekämpfung“
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3 Wirtschaftsspionage |
4 Anlasslose Massenüberwachung
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Wohin entgleiten die Geheimdienste?
| Regulierung durch die UN | Durchsetzung der Regulierung | Aussichten |

Geschichte der Geheimdienste

Geheimdienste (auch Nachrichtendienste genannt) hatte schon immer die Aufgabe, dort zu spionieren, wo die Diplomatie nicht hinreichte: Es ging darum, Gefahren für den Staat als Ganzes zu erkennen, um sie dann abwehren zu können. Das muss man oft im Geheimen machen, auch Gesetze dabei verletzen, weil niemand gerne seine Geheimnisse freiwillig herausrückt. Das ist auch heute noch legitim, denkt man nur daran, dass z.B. Nordkorea durch irre Diktatoren mit riesigem Waffenpotenzial regiert wird oder dass die USA völkerrechtswidrig Grenada überfallen. Nennen wir diese Aufgabe Staatsschutz (wo der Staat als Ganzes gegen Gefahren von außen geschützt wird). Dabei geht es nur darum, Informationen/Nachrichten zu erlangen.

Sean Connery als James Bond 1971 "Diamonds are forever" (Quelle: Rob Mieremet, Holländisches Nationalarchiv)

Einige Geheimdienste haben auch Abteilungen, um verdeckte Operationen auszuführen. Die bekannteste Figur dazu ist James Bond, der als Agent 007 im Auslandsgeheimdienst seiner Majestät der Königin wegen der Doppel-Null auch von seiner Regierung ermächtigt ist, Menschen zu töten, obwohl das auch für ihn per Gesetz verboten ist.  Viele Menschen denken an diese glamouröse Romanfigur von Ian Fleming, die aufregende Abenteuer auf Leben und Tod zu bestehen hat und ansonsten im Luxus mit vielen schönen Frauen um die Welt kommt. Andere Berühmte Figuren aus dem Spionageumfeld hat John le Carré (alias David Cornwell, selbst für den britischen Geheimdienst MI5 und MI6 tätig gewesen) beginnend mit dem Roman „Der Spion, der aus de Kälte kam“ geschaffen. Bei le Carré ist hinzuzufügen, dass er anfangs „nur“ spannende Romane schrieb mit zerrissenen Figuren, im Alterswerk aber zunehmend die Dienste an sich in Frage stellt.

Aber die Geheimdienste haben auch eine lange Geschichte, in der sie nicht Nachrichten beschaffen, sondern über Morde hinaus weitere kriminelle Handlungen begehen:

Man sieht an den wenigen Beispielen, dass die Arbeit von Geheimdiensten, wenn sie über die Nachrichtenbeschaffung hinaus geht, schnell zu einer Gefahr für das eigene oder ein fremdes Land werden kann. Wenn der Geheimdienst zu einer kriminellen Organisation entartet ist, kann man ihn nicht mehr von einer Terrororganisation unterscheiden, ausser das die Finanzierung durch Steuern einfacher ist.

Das Geheime der Geheimdienste wird zunehmend zu einem nicht mehr akzeptierbaren Problem. Beispielsweise werden in Deutschland die Dienste durch das Parlamentarische Kontrollgremium „überwacht“, ob die Dienste nicht übermäßig die Grundrechte der Bürger einschränken. Aber einerseits haben die Parlamentarier dazu keine professionellen Apparat und sind auf Auskünfte von Leuten angewiesen, deren Beruf es ist, professionell zu lügen. Andererseits sind die Parlamentarier selber zu Geheimhaltung verpflichtet. Damit ist keine verantwortungsvolle, demokratische Kontrolle durch die Legislative  gegenüber dem Souverän möglich.

In den USA ist es ähnlich. Dort wurde für die Geheimdienste im Foreign Intelligence Surveillance Act(Gesetz zum Abhören in der Auslandsaufklärung) ein United States Foreign Intelligence Surveillance Court geschaffen, das als Judikative die Dienste beaufsichtigen soll. Aber auch dieses Gericht arbeitet geheim, so dass auch mit diesem Modus eine demokratische Kontrolle unmöglich ist.

So ist es geschehen, das die Geheimdienste sich zu einem Staat im Staat entwickelt haben, der durch den demokratischen Souverän nicht mehr steuerbar ist. Die Parlamente dürfen das Geld bewilligen, aber alles weitere ist geheim und demokratischer Kontrolle entzogen. Da sich die Tätigkeitsfelder seit dem kalten Krieg von Informationsbeschaffung hin zu einer elektronischen Totalüberwachung übelster Art nach Orwellschem Format  a la 1984 verschoben haben (Veränderung von HUMINT zu SIGINT), sind sie zu einer Bedrohung für Sicherheit und Freiheit der Welt geworden, die dringend durch Reformen abgewendet werden muss. Die Demokratie ist in eine Geiselhaft der Geheimdienste geraten und in einer Art Catch22-Situation, aus der es nur schwierig ein Entkommen in Richtung Demokratie und Rechtsstaat gibt.

Arbeitsgebiete

Deshalb werden nun die Arbeitsgebiete von Geheimdiensten heute kurz kategorisiert und bewertet:

  • Spionage zum Schutze des Staates als Ganzes
  • Terrorbekämpfung
  • Wirtschaftsspionage
  • Anlasslose Massenüberwachung

1 Spionage zum Schutze des Staates als Ganzes

Die Spionage zum Schutze des Staates als Ganzes fand ihren Höhepunkt im Kalten Krieg. Da einige Irre der Meinung waren, man könne mit Atomwaffen reale Krieg führen, musste man sich durch Informationsbeschaffung vor einem überraschenden Angriff schützen, da die frei laufenden Irren Raketen bauten, mit denen in wenigen Minuten, die Menschheit mehrfach ausgelöscht werden konnte (Overkill). Einerseits gibt es immer noch Verrückte, die Atomwaffen pflegen und modernisieren, andererseits geben sie Staaten wie Pakistan, Indien und Iran das Vorbild: nur wer Atomwaffen besitzt, ist vor einem Überfall einer anderen Atommacht sicher.

Dennoch bleibt es legitim und notwendig, dass Staaten sich durch Spionage vor (militärischen) Überraschungen schützen. Hier finden Geheimdienste weiter ein legitimes Aufgabenfeld.

2 „Terrorbekämpfung“

Nach dem Ende des kalten Krieges Ende der 1980er Jahre, dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes, den Revolutionen in den Ostblockstaaten, zeichnete sich ab, dass die Bedrohung verringert wurde und das Risiko für die Staaten kleiner wurde, überfallen zu werden. Für die Geheimdienste bedeutete das eine Existenzkrise, der sie mit dem Einstieg in die „Terrorbekämpfung“ begegneten.  Aber auch wenn Terroranschläge schrecklich sind, ist ihre Abwehr und Aufklärung eine polizeiliche Aufgabe, da es sich um ordinäre Kriminelle handelt und nicht um ganze Staaten. In der Bekämpfung der Baader-Meinhof-Bande bzw. der Roten-Armee-Fraktion wurde in Deutschland gezeigt, dass weder eine geheimdienstliche noch eine militärische Bekämpfung von Terroristen sondern die beharrliche polizeiliche Bekämpfung zum Erfolg führt (anders als die angebliche Terrorbekämpfung durch Militär in Afghanistan).

Großes Unterscheidungsmerkmal zwischen Polizei und Geheimdienst ist, dass der Geheimdienst auf der einen Seite seine Informationen notfalls auch illegal für eine politische Nutzung beschaffen darf, aber sie dann nicht für Gerichtsverfahren als Beweise verwendet werden dürfen, während die Polizei andererseits strikt an Recht und Gesetz gebunden ist, um gerichtsverwertbare Beweise zu ermitteln. Das ist international Konsens.

Nach dem entsetzlichen Anschlag „9/11“ 2001 in New York durch saudische Terroristen, die aus Hamburg kamen, nahmen die Geheimdienste dies zum Anlass, ihre im kalten Krieg verlorenen Arbeitsplätze zu retten und gaben vor, durch ihre Methoden vor Terror zu schützen und Anschläge zu vermeiden. Hier wurde dann hurtig durch den Gesetzgeber in vielen Staaten die Grenze zwischen Geheimdiensten und Polizei aufgehoben. In den USA ist der Patriot Act zu nennen. In Deutschland die Schily-Pakete. Aber hat diese Ausweitung der Möglichkeiten für die Geheimdienste tatsächlich den behaupteten Erfolg? Kurz vor 9/11 war das illegale Spionagesystem Echelon der fünf englischsprachigen Staaten USA, Großbritannien, Neuseeland, Australien und Kanada aufgeflogen, das nichts zur Terrorvermeidung beitrug.

Spionagestation Bad Aibling (Quelle: Wikipedia. Public Domain)

Zwar wurden einzelne Station des Spionagenetzes Echelon wie in Bad Aibling geschlossen, weil auch Wirtschaftsspionage betrieben wurde, aber wegen des Anschlages 9/11 konnten die Geheimdienste ein Mehrfaches an Spionageaktivität zur Kompensation ihrer verlorenen Mittel des kalten Krieges erlangen.

  • Bei den Terroranschlägen vom 11. September 2011 (9/11) leisteten die Geheimdienste keinen Beitrag zur Abwehr. Mehr noch: selbst Hinweisen, die innerhalb des FBIs auf die Täter vorlagen, wurde nicht nachgegangen, sie wurden nicht weitergeleitet (ähnlich wie bei der Ermordung Hans-Martin Schleyers, als Hinweise auf die Terroristen im BKA nicht weitergeleitet wurden und Schleyer ermordet wurde, siehe „Schleyer könnte noch leben„).
  • Die Madrider Zuganschläge am 11. März 2004 wurden 2 1/2 Jahre nach exzessiver geheimdienstlicher Aufrüstung nicht vorab bekannt. 191 Tote, 2051 Verletzte.
  • Rucksackbomber verübten die Terroranschläge am 7. Juli 2005 in London. 56 Tote und ca. 400 Verletzte, ohne dass die Geheimdienste das Geringste zur Vermeidung beitragen hatten trotz exzessiver Beschnüffelung der Bevölkerung.
  • Bei den Anschlägen in Norwegen 2011 hatte der Täter seine rechtsextremistische Gesinnung lang und breit in sozialen Netzwerken im Internet dargelegt, ohne dass die Geheimdienste trotz ihrer umfassenden Werkzeuge, die wir seit den Enthüllungen von  Edward Snowden kennen, auch nur einen winzigen Beitrag zur Vermeidung geleistet hätten.
  • Beim Anschlag auf den Boston-Marathon 2013 ging es so weit, dass die Mutter und die beiden Täters vorher russischen Behörden an die CIA gemeldet worden waren und man vor einem möglichen religiös fanatischen Hintergrund warnten, so dass sie in eine Terrordatei aufgenommen wurden. Ohne jeden Erfolg. Drei Tote, 264 Verletzte.
  • Bei den sog. Sauerland-Bombern hieß es, dass die NSA 2006 deutschen Behörden Hinweise gegeben hätte. In der Operation Alberich arbeiteten über 500 Staatsbedienstete eng zusammen. So eng, dass sie sogar in den Sprengstoffen der angeblichen Täter herum panschten und Ende Juli 2007 angeblich das Wasserstoffperoxid austauschten. Zudem soll der Verbindungsmann zur Al-Quida Kontaktmann des türkischen Geheimdienstes MIT gewesen sein mit Kontakten zur CIA. Hier ist dann nicht mehr auseinander zu halten, wer Geheimdienst-Täter und wer privater Täter war.
  • Noch schlimmer kam es bei der NSU (Nationalsozialistischer Untergrund). Bei dieser terroristischen Vereinigung waren mehrere Inlandsgeheimdienste verstrickt, Akten wurden in deutschen Behörden vernichtet, der Untersuchungsausschuss brachte das nackte Grauen deutschen Behördenversagens zu Tage und der Präsident des BKA Ziercke, der offen Versagen seines Hauses zugab wurde nicht etwa durch einen Nicht-Versager ersetzt, sondern sein Arbeitsvertrag wurde verlängert (so wie Oberst Klein bei dem Kunduz-Massaker in Afghanistan mit einer Beförderung zum Brigadegeneral belohnt wurde). Unter den Augen deutscher Behörden konnten die Terroristen jahrelang ungestört in Deutschland morden. Man möchte fassungslos sein.

Unter dem Strich kann man sagen, dass Geheimdienste bei der Verhinderung von Terroranschlägen keinen nennenswerten Nutzen erbringen. Es ist im Gegenteil zu vermuten, dass sie mit ihrer allumfassenden Schnüffelei und Spannerei in den Wohn- und Schlafzimmern von Millionen von Bürgern einen anderen Zweck verfolgen.

3 Wirtschaftsspionage

Es gibt tatsächlich Menschen, die sich noch fragen, ob Geheimdienste auch Wirtschaftsspionage betreiben. Der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hatte behauptet, dass die USA in Deutschland keine Wirtschaftsspionage betreibe. Im Bundestag ließ man dazu verlauten: „ Es bestand damals kein Anlass, an den entsprechenden Aussagen von US-Regierungs- und Behördenvertretern zu zweifeln.“

Das ist entweder brutal gelogen oder es zeigt einen Abgrund von Unfähigkeit der Handelnden. Schon 1999 berichtete der Journalist Udo Ulfkotte in seinem Buch „Marktplatz der Diebe„, dass US-Geheimdienste die Windkraftanlagen-Firma Enercon in Ostfriesland ausspionierten. NSA-Mitarbeiter hörten die Telefone ab. CIA-Mitarbeiter bestiegen widerrechtlich eine Windkraftanlage, machten Fotos im Generatorengehäuse und stellten diese 1995 einem US-Provinzrichter zu Verfügung. Dieser nutzte sie dann als Beweismittel, um in einem Patentstreit Enercon wegen einer angeblichen Patentverletzung zu entscheiden, dass Enercon als Strafe 15 Jahre sich vom US-Markt fern halten müsse.

Was Ulfkotte damals noch nicht wissen konnte war, dass das betreffende Patent dann von einer Tochter von Enron gekauft wurde mit dem Ziel, mit aller Gewalt Windkraft aus den USA fernzuhalten, um das Ölgeschäft zu sichern. Enron selber wurde von Schwerstkriminellen geführt, und explodierte einige Jahre später und riss u.a. auch den kriminellen Wirtschaftsprüfer Arthur Andersen in den Abgrund (dessen Consultingzweig heute als Accenture firmiert). Den Patentstreit hat danach General Electric übernommen.

Wer also behauptet, er wisse nichts davon, dass Geheimdienste verbotene Wirtschaftsspionage in Deutschland betreiben, ist entweder nicht von dieser Welt (unzurechnungsfähig) oder lebt bewusst und mit Vorsatz außerhalb unserer Gesetze. Damit aber ist er eine Gefahr und Bedrohung für die Ordnung unseres Staates, denn die Geheimdienste konterkarieren mit ihrer Wirtschaftsspionage die Aktivitäten von WTO und WIPO in zersetzender Weise.

4 Anlasslose Massenüberwachung

Nach 9/11 begannen die Geheimdienste unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung (die aber nicht statt fand, wie oben gezeigt) nicht mehr erst bei einem konkreten Verdacht sondern anlasslos massenhaft Daten zu sammeln. Zuerst holten sie sich im Ausland legal personenbezogene Massendaten:

Edward Snowden (Quelle: Wikipedia nach Wikileaks Channel)

Zum Schock wie beim Abwurf der ersten Atombomben aber kam es, als Edward Snowden als Insider und Whistleblower enthüllte was NSA oder GCHQ tatsächlich alles elektronisch sammeln. Ähnlich wie bei der Atombombe wurden nicht nur Kombattanden/Terroristen getroffen, sondern es werden weltweit alle Bürger ausnahmslos ausspioniert. Es wurde klar, dass insbesondere die 5 Eyes Geheimdienste (USA, Großbritannien, Neuseeland, Australien, Kanada), aber die anderen auch, nahezu alles sammeln, was ihnen in die Finger kommt. Dabei bedienten sie sich perfider, krimineller Tricks: wenn sie bestimmte Daten nicht im Inland suchen durften, ließen sie einen ausländischen Geheimdienst schnüffeln, für den die Ziele im Ausland waren. Gerade auch wegen dieser perversen Schweinereien, ist es dringend notwendig, die Geheimdienste global und nicht national oder bilateral zu regulieren.

Auf dem riesigen Fundus der unglaublichen Sammlungen nur ein paar Highlights:

Wohin entgleiten die Geheimdienste?

Die Liste kann beliebig lange fortgesetzt werden mit Nachrichten, die weit über das Horrorszenario von George Orwell in 1984 hinausgehen. Es ist unfassbar, welchen Umfang das Belauschen der gesamten Bevölkerung angenommen hat. Da von den Sammlern keine Beiträge zur Terrorbekämpfung kommen stellen sie nur eine riesige Gefahr für die Weltbevölkerung dar. Da sie auf Recht und Gesetz grundsätzlich verzichten, müssen sie hart von außen reguliert werden. Sie sind zur einer Gefahr für die Demokratien (und selbst für die Diktaturen) geworden.

In der Literatur und im Film ist diese Gefahr schon wesentlich besser angekommen als in der Politik. So sagt die MI6-Chefin M im James-Bond-Film „Skyfallvor dem Innenausschuss des britischen Parlaments aus:

Dame Judi Dench als MI6-Chefin vor dem Innenausschuss des britischen Parlamentes (Quelle: Skyfall)

Es ängstigt mich, weil wir unsere Feinde nicht mehr kennen. Auf Landkarten gibt es sie nicht mehr. Es sind keine Nationen. Es sind Individuen. Sehen Sie sich um: wen fürchten Sie? Sehen Sie ein Gesicht, eine Uniform, eine Flagge? Nein. Unsere Welt ist nicht transparenter, sie ist undurchsichtiger. Sie liegt im Schatten. Und dort müssen wir kämpfen.“

Das sagt sie in einem Moment, in dem James Bond einen ehemaligen MI6-Geheimdienstmitarbeiter bekämpft, der die britische Regierung elektronisch cyberterroristisch bekämpft.

Unser Geheimdienste entgleiten uns mehr und mehr in einen rechtsfreien Raum. Wir müssen sie heute neu regulieren, so wie wir Kriegsführung, Atomwaffen, Chemiewaffen, den Welthandel, das geistige „Eigentum“ global reguliert haben. Das kann nur durch die UN passieren, wie immer schlecht man diese Organisation auch finden will.

Zu denken gibt auch, dass immer mehr „Hacker“ (siehe auch die tragische Geschichte vom Hacker Hagbard aus Hannover), auch vom deutschen CCC (Chaos Computer Club), für Geheimdienste arbeiten bis hin zur sicheren Vollzeitbeschäftigung im Staatsdienst mit Pensionsberechtigung, als wenn man sich mit Cybercrime seine eigene Altersversorgung aufbaute. So ist auf der Hackerkonferenz Black Hat in Las Vegas die überwiegende Mehrheit der „Hacker“ heute bei Geheimdiensten beschäftigt und selbst die Key-Note wird von NSA-Generalen wie Keith Alexander gehalten. Es ist sogar zu vermuten, dass die Mehrheit der Cybercrime-Angriffe von steuerfinanzierten Staatsdienern in den Geheimdiensten auf ausländische und inländische Ziele , auf Militär, Politik, Verwaltungen, Wirtschaft und Bürger ausgeführt werden.

Gerhart Baum, FDP, ehemaliger Bundesinnenminister,  hat als einer der ersten im

Gerhart Baum, FDP, 2007, auf einer Demonstration gegen Vorratsdatenspeicherung in Köln (Quelle: Elke Wetzig über Wikipedia)

September 2013 in der FAZ einen ersten Schritt in diese Richtung angemahnt: „Ich will, dass wir beißen können“ Darin sagt er z.B. „Der Staat muss uns vor Überwachung schützen.Privatheit ist Weltbürgerrecht„.“Das Thema gehört auf die Tagesordnung der Herbstsession der Vereinten Nationen, mit allen ihren Aspekten, auch mit dem Thema Wirtschaftsspionage.“ Er hat recht und will ich konkretere Vorschläge machen.

 

„Der Worte sind genug gewechselt, Laßt mich auch endlich Taten sehn.“ Goethe, Faust I.

Deutschland hat hier eine besondere Verantwortung. Kein anderer Staat hatte auf seinem Boden zwei Geheimdienste wie die Gestapo und die Stasi, die mit dazu beigetragen haben, den Staat als Ganzes hinzurichten.

Regulierung durch die UN

Wir haben in der Geschichte mehrere Beispiele, dass zu Lösung globaler Probleme globale Lösungen und Regulierungen geschaffen wurden, die wir zur Lösung des Geheimdienstproblems heranziehen können:

  • 1859 war Henry Dunant bei der Schlacht von Solferino entsetzt über das Leid der verwundeten Soldaten. Er gründete daraufhin 1863 das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, was zur Genfer Konvention von 1864 führte, die heute in der Fassung von 1949 plus Zusätze für alle unsere Soldaten, egal ob sie innerhalb oder außerhalb des NATO-Gebietes Krieg führen, bindend ist. Darin ist neben der Versorgung der Verletzten auch geregelt, wer Kombattant ist (den man töten darf) und wer nicht (dessen Tötung ein Kriegsverbrechen darstellt. Auch sind Ziele ausgeschlossen, die nicht angegriffen werden dürfen (Krankenhäuser, zivile Infrastruktureinrichtungen wie Wasserwerke und Kraftwerke).
  • Als 1945 sichtbar wurde mit dem Abwurf von Atombomben in Nagasaki und Hiroshima auf Frauen, Kinder, Alte, Wehrlose, dass mit diesen Waffen wesentlich schneller und effizienter als mühselig in Öfen „vernichtet“ (Bundeswehr-Jargon bei der Tötung von über 100 Zivilisten in Kunduz) werden konnte, setzte einerseits ein Wettrüsten ein, dessen Sieger heute die fünf ständigen Mächte im UN-Sicherheitsrat sind (USA, Russland, China, England, Frankreich).  Anderseits kam man zu der rationalen Erkenntnis, dass wegen der mehrfachen Overkill-Kapazitäten, mit denen die Menschheit vernichtet werden konnte, ein Krieg zwischen den Atommächten nicht mehr möglich war. Deshalb schloss man (mittlerweile 190 Staaten) den Atomwaffensperrvertrag ab. Der Deal darin war, dass die atomaren Habenichtse auf atomare Aufrüstung verzichteten und im Gegensatz, die Atomwaffenbesitz abrüsteten. Vier Staaten, bei denen Atomwaffenbesitz angenommen wird, sind nicht beigetreten: Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea.
    Ein wesentliches Verifizierungsrecht ist das Inspektionsrecht der Internationalen Atomernergie-Organisation (IAEO). So reisen regelmäßig Inspekteure in den Iran, auch ium Urananreicherungsanlagen zu inspizieren, die in einem terroristischen Akt von Israel und den USA mit einem Computervirus Stuxnet angegriffen wurden, der die Drehzahl der Anreicherungsturbinen zur Zerstörung über das erlaubte Maß hoch drehte.
  • Analoge Entwicklungen zu Atomwaffen gibt es auch für biologische und chemische Waffen. Auch wenn diese Verträge oft durch terroristische Staaten verletzt werden. Anthrax (non-military grade) z.b. wurde von Donald Rumsfeld an Saddam Hussein geliefert (nach dem Henry Kissinger (ca. 1969) in einem damals geheimen Bericht darüber philosophiert hatte, dass man mit Anthrax aufständische Jugendliche im indischen Kontinent töten könne). 2001 kam military-grade (höhere Letalität durch Fehlen der Sporenkappe) Anthrax aus US-Labors bei Anschlägen in Washington zum Einsatz, das man ursprünglich auch mal an Zivilisten in der New Yorker U-Bahn testen wollte.
    1997 traten auch die USA unter Clinton zum Chemiewaffen-Sperrvertrag von 1992 (offiziell Chemiewaffenkonvention) bei. Auch hier gibt es Inspekteure, die die Durchsetzung des Verbotes verifizieren. Die Inspekteure der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) bekamen 2013 für Ihren Einsatz in Syrien sogar den Friedensnobelpreis. Friedensnobelpreisträger Barack Obama hatte vorgeschlagen, wegen des Chemiewaffeneinsatzes nicht nur weiter Waffen durch die CIA an eine Kriegspartei zu liefern, sondern den Krieg auch noch durch Bombenabwürfe zu verschärfen. Mit diesem Ansatz brutaler Gewalt konnte er sich nicht durchsetzen, wohl aber der russische Präsident Putin mit dem Vorschlag, die Chemiewaffen Syriens unter Aufsicht zu vernichten, was offenbar auch erfolgreich geschehen ist.

Um die Geheimdienste nun aus dem rechtsfreien Raum zu holen und sie wieder in die Zivilisation zu integrieren, ist es zwingend notwendig wegen des exorbitanten Bedrohungspotenzials unregulierter Geheimdienste und ihrer globalen Gefahr, sie nun analog zu den anderen Großgefahren der Menschheit (siehe oben) global und nicht bilateral zu regulieren. Das wird bitter für viele Staaten, aber bei der Kriegsführung, den atomaren Waffen, den chemischen Waffen waren wir erfolgreich und Organisationen wie die WTO (World Trade Organization) oder die WIPO (Weltorganisation für geistiges Eigentum (auch wenn der Begriff Eigentum falsch ist), haben uns geholfen, das Leben einfacher und sicherer zu machen.Im Prinzip ist die Eindämmung der Gefahren durch die Geheimdienste einfach, wenn man definiert was erlaubt und was verboten sein soll. Von den vier Hauptbereichen ihrer Tätigkeiten

  1. Spionage zum Schutze des Staates als Ganzes
  2. Terrorbekämpfung
  3. Wirtschaftsspionage
  4. Anlasslose Massenüberwachung

kann man leicht sagen:

Die Spionage zum Schutze des Staates als Ganzes muss aus Selbstverteidigungsgründen bei militärischen Bedrohungen erlaubt bleiben. Bei der Bekämpfung des Terrors haben Geheimdienste vollständig versagt. Das Themengebiet brauchen sie nicht mehr zu bearbeiten und es kann der Polizei (dort dann mit rechtsstaatlichen Methoden) zurückgegeben werden. Wirtschaftsspionage ist zu ächten. Die anlasslose Massenüberwachung macht den Staat anfällig für Diktaturen und ist einfach zu unterblieben.

Durchsetzung der Regulierung

Zunächst wird es nicht ausreichen, einfach einen lyrischen Vertrag zu schließen, auf den Geheimdienste spucken. So wie die CIA kackfrech Menschenraub in Deutschland betrieb, und Wolfgang Schäuble, CDU, dafür sorgte, dass die Kriminellen nicht strafverfolgt wurden (anders als Italien, wo Täter in Abwesenheit verurteilt wurden und dann in Panama per internationalem Haftbefehl verhaftet wurden).

Die Einhaltung der globalen Regelungen werden wir durch unabhängige Kommissionen prüfen lassen müssen, wie wir das bei den Genfer Konventionen, dem Atomwaffensperrvertrag, dem Chemiewaffensperrvertrag auch schaffen. Diese werden intensiv in Rechenzentren der Geheimdienste schauen müssen. Das wird anfangs ungewohnt sein bei Menschen, die Jahrzehnte weit entfernt vom Rechtsstaat lebten.

Es müssen harte Gefängnisstrafen für den einzelnen Geheimdienstmitarbeiter drohen, nicht nur für die Organisation (wie es jetzt die geplante EU-Datenschutzgrundverordnung vorsieht, um die Aktionäre von Facebook durch Geldstrafen abzuschöpfen, aber die Täter strafrechtlich ungeschoren lässt), wenn er das zu verabschiedende Recht bricht. Dazu muss die Strafverfolgung beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) angesiedelt sein. Dort haben wir auch das Strafverfahren gegen den Serben Milosevic durchgeführt, der in Jugoslawien mutmaßlich Kriegsverbrechen verübte. Wir werden es nicht weiter dulden können, dass Soldaten, die an einem verbrecherischen Krieg wie im Irak teilnehmen, straflos davon kommen, wenn sie aus einem Hubschrauber unbewaffnete Zivilisten ermorden, wie das Wikileaks-VideoCollateral Murder“ zeigt

Manche Staaten mögen den IStGH nicht. Diese werden wir freundlich durch Boykotte zwingen müssen, Verträge einzuhalten. Wer dem Vertrag nicht beitreten will, steht öffentlich als ein Bedrohung für die Menschheit da, der das Risiko eingeht, dass sein Staat wegen Unsicherheit geächtet und gemieden wird, dem Geschäft wegbricht, weil Kunden ihre Daten nicht Spannern und Schnüfflern anvertrauen wollen. Bei Iran und Syrien waren die Androhungen von Boykotten hilfreich, um die Einhaltung des Atomwaffensperrvertrages und des Chemiewaffensperrvertrages durch zusetzen. Die Losung ist simpel: Kein Rechtsstaat = kein Handel.

Aussichten

Natürlich wird es viele Bedenkenträger geben, die uns erzählen werden, das ginge nicht. Zumal auch viele ihre Arbeitsplätze in Gefahr sehen werden. Es ist ja auch schön, wie Snowden mit fast 200.000 $ im Jahr auf Hawaii die Weltbevölkerung zu bespannen. Aber nur schön für den Spanner. Die Weltbevölkerung wird nicht weiter akzeptieren, dass sich fremde und eigene Staaten erdreisten, in die Wohnzimmer, Schlafzimmer und Kinderzimmer zu dringen, um Rechner zur Spionage und um Spannen zu missbrauchen, weltweit die Telekommunikation zu überwachen und Profile über jeden Weltbürger anzulegen. Ja, anfangs war man auch überzeugt, man müsse mit Atombomben Frauen und Kinder schneller pulverisieren können als jemals zuvor. Selbst Albert Einstein votierte anfangs für das atomare Höllenfeuer gegen Frauen und Kinder.

Dennoch werden Recht und Gesetz sich durchsetzen. Der Rechtsstaat wird gegen die Cyberkriminellen gewinnen. Wie er sich gegen die Perversen Atombombennutzer, und Nutzer von biologischen und chemischen Waffen auch durchgesetzt hat.

Die Bürger, insbesondere die deutschen mit ihrer Stasi- und Gestapo-Erfahrung, dass die Gemeinwesen, die Demokratien dieser Welt durch Geheimdienste erneut vernichtet werden wie in Deutschland zwei Mal oder im Iran.

Was wäre denn die Alternative, wenn wir weiter so untätig blieben wie die Bundesregierung unter Angela Merkel z.B., wo ein Herr Pofalla erklärt, dass die Spionage-Affäre der NSA-Affäre beendet sei (und dann Herr Pofalla das Amt verlassen muss)? Die Geheimdienste würden die demokratischen Staaten immer mehr in Geiselhaft nehmen und immer mehr schwerkrimnelle Verbrechen begehen im angeblichen Interesse der nationalen Sicherheit. Sie würden vollständig jeder Kontrolle durch den Souverän sich entziehen. Es würde ein entarteter Überwachungsstaat entstehen, weit über das Horrorszenario von 1984 hinaus. Die Geheimdienste könnten machen was sie wollen. Und die Bürger? Sie würden weiter jedes Vertrauen in das Internet verlieren, wie wir es jetzt schon beim E-Government in Deutschland sehen. Wir würden enormen wirtschaftlichen Schaden erleiden, weil Bürger und Wirtschaft das Internet nicht in dem Maße nutzen würden, wie wir es ohne Überwachungsstaat und Wirtschaftsspionage könnten. Wir würden zulassen, dass eine Wissensgesellschaft nicht statt findet, weil wir den Weg in die geheime Diktatur dulden.

Manche schlagen vor, dass man sich mit Verschlüsselung gegen die Spionage der Geheimdienste schützen soll. Das ist absurd. Zum einen gibt es keine Verschlüsselung, die nicht von Geheimdiensten geknackt würde, ob es nun die Enigma im zweiten Weltkrieg war, wo das Vertrauen auf Verschlüsselung U-Bootfahrer das Leben gekostet hat. In vielen Verschlüsselungstechnologien haben die Geheimdienste Hintertüren eingebaut, um Entschlüsseln billiger zu machen. Selbst bei Open Source Software stellen wir Fehler wie bei OpenSSL mit Heartbleed fest, die auf der Skala von 1-10 als GAU der Schadensstufe 11 anzusehen ist (wobei der Ausdruck GAU- Größter anzunehmender Unfall – auch aus dem Bereich der Atomwirtschaft übernommen wurde). Bei dem derzeit stärksten Verschlüsselungsalgorithmus Advanced Encryption Standard AES wird vermutet, dass die NSA ihn in ihrem neuen Rechenzentrum in Utah knacken kann. Kurz, es ist pervers, erst Steuermittel dazu verwenden, um sich von Geheimdiensten aushorchen zu lassen und dann gleichzeitig Aufwand zu trieben, um sich gegen diese selbst bestellt Spionage zu schützen.

Wir haben nur eine Wahl: entweder wir regulieren hart unsere Geheimdienste global oder unsere Demokratien werden dahin schmelzen und unsere Staatswesen verrotten in den Diktaturen, die wir selbst schaffen.

Weiterführende Literatur

 

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3 Antworten auf Geheimdienste müssen global durch UN reguliert werden

  1. Helena Peltonen sagt:

    Sehr interessante Abhandlung – für mich sehr lehrreich. Toll, dies einmal so strukturiert nachzulesen. Danke !

  2. Thomas Nolte sagt:

    Dem Dank von Helena Peltonen möchte ich mich aus sozialwissenschaftlicher Sicht ausdrücklich anschließen.
    Auch ich bin der Meinung, dass der gesamte Komplex des staatlichen, aber auch wirtschaftlichen, weltweiten Datenspeicherns auf UN-Ebene diskutiert und reguliert werden muss. Eine UN-Charta Datenschutz muss her!
    Offene Daten (nicht personalisierte und freiwillig abgegebene) ja; geheime Daten nur so wenig wie nötig und unter parlamentarischer Kontrolle! Und ein Recht auf Datenlöschung („digitales Vergessen“)!
    Das 21. Jahrhundert sollte im Sinne von Frieden und globaler Zusammenarbeit ein Zeitalter von Vertrauen und Sharity werden (auch in Forschung, Wissenschaft und Wirtschaft) ! Sonst kann die immer noch wachsende Menschheit nicht überleben.

  3. Gerhart Baum hat in der FAZ noch einmal nachgelegt:
    „Datenschutzrecht – Kommt heraus aus der Defensive
    Was wird jetzt aus dem europäischen Datenschutzrecht? Eine Verwässerung kommt nicht in Frage. Deutschland muss Amerika klarmachen, dass Grundrechte auf dem Spiel stehen. “
    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/datenschutzrecht-kommt-heraus-aus-der-defensive-13309797.html

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