Sherlock Holmes, das Dartmoor und das Urheberrecht

Dartmoor (Quelle: WK)

Über Ostern war ich in Brixham, Devon, UK, einer Hafenstadt in der Gegend, aus der der britische Pirat Sir Francis Drake stammt, der der englischen Königin Elizabeth I durch zahlreiche Plünderungen von spanischen Schiffen die Schatzschatulle füllte und später geadelt wurde. Dies ist die Gegend in der Sir Arthur Conan Doyle seinen weltberühmten Sherlock-Holmes-Kriminalroman „Der Hund der Baskervilles“ von der Bestie im Dartmoor schrieb. Dort machten wir Ausflüge mit dem Schiff nach Dartmouth, wo der River Dart in den Ärmelkanal mündet,  mit dem Zug nach Essex mit einer prächtigen gotischen Kathedrale und mit dem Auto ins Dartmoor


Kleiner Exkurs für die Freunde der Gotik

(Ein Hinweis zu den folgenden Bilder: wie immer kann man sie durch einfaches Klicken vergrößern).

Bevor wir uns der Mystik des Dartmoors zuwenden, sei ein kurzer Exkurs in die Gotik gestattet, um nach meinem Artikel über die gotischen Kathedralen auch hier das in Stein gegossene, mittelalterliche religiöse Setting aufzuzeigen, auf das die Engländer als Zentraleuropäer wie Franzosen und Deutsche ihre Kultur gründen. England ist zugepflastert mit Bauwerken aus der Gotik. In jedem oben erwähnten Gebiete gibt es gotische Bauwerke:

Die All Saints Church in Brixham wurde im 19. Jahrhundert als neogotischer Bau errichtet.

All Saints Church in Brixham (Quelle: Wolfgang Ksoll)

In Dartmouth findet man die Saint Saviour’s Church, die ihre Ursprünge im 13. Jahrhundert unter Edward I.  hat.

Saint Saviour's Church, Dartmouth, Devon (Quelle: WK)

In Exeter, Hauptstadt von Devon,  findet man wegen des Bischofssitzes eine Kathedrale. Diese wurde 1122 zunächst in normannisch-romanischem Stile erbaut, ab 1224 aber als gotischer Neubau fortgeführt.  Herausgekommen ist ein gotisches Prachtstück.

Kathedrale von Exeter (Quelle: WK)

Die Backfast Abbey findet man am Rande des Dartmoors in der Nähe von Buckfastleigh. Es gibt eine Online-Führung durch die Kirche der Abtei.

Backfast Abbey in Buckfastleigh, Devon, UK (Quelle: WK)

Doch dann befindet man sich schon fast im Dartmoor …

Mystik des Dartmoors

Fast jeder, dem ich erzählte, dass ich im Dartmoor war, assoziierte das Dartmoor mit etwas Gruseligem. Manche erwähnten das Gefängnis im Dartmoor, aus dem den gefangenen die Flucht durch das umliegende, unwirtliche Moor über die Gefängnismauern hinaus erschwert wurde. Hier gibt es auch ein gruseliges Gefängnis-Museum.

Andere konnten sich an  den Film „Das Wirtshaus im Dartmoor“ erinnern. Hierbei handelt es sich um einen Kriminalfilm aus dem Jahre 1964 in Schwarz-Weiß (u.a. mit Heinz Drache und Ralf Wolter), der einerseits an die Erfolge der Edgar-Wallace-Filme aus den späten 1950er und frühen 1960er Jahre anknüpfte und andererseits auch das düstere Ambiente des Dartmoor-Gefängnis nutzte.

Am bekanntesten aber wurde das Dartmoor durch den Kriminalroman  „Der Hund der Baskervilles“  von Sir Arthur Conan Doyle, in dem der weltberühmte Detektiv Sherlock Holmes mit glasklarem, analytischen Verstand und seinem Assistenten Dr. John H. Watson Morde aufklärt.

Fährt man durch das Dartmoor, findet man in den Niederungen noch durchaus liebliche Flusslandschaften am River Dart. Dem Bergmann ist das Devon auch als Erdzeitalter bekannt, dass seinen Namen nach der Grafschaft Devon bekam, in der die entsprechenden sedimentären Schichten zu Tage treten, wie man auf dem Bild auch sieht:

River Dart im Dartmoor (Quelle: WK)

In den Höhen (bis zu 600 m ü. NN) dann wird es karger, die Bäume verschwinden und es gibt nur noch Wiesen, die als Weiden für Schafe oder frei lebende Ponys dienen. Diese Landschaft wird heute als Dartmoor National Park geschützt. Ähnlich wie der New Forest weiter östlich, den Elisabeth George in ihrem Kriminalroman „Wer dem Tode geweiht“. (Siehe auch „Mit Google-Earth die Welt erforschen„). Diesiges Wetter wird leicht zum Nebel.

Ponys auf den Hochflächen im Dartmoor (Quelle: WK)

Man kann nachvollziehen, dass ein solches Ambiente es den einen oder anderen gruseln lässt und auch Sherlock Holmes zu mystischen Abenteuern mit Bestien zieht.

Sherlock Holmes im Dartmoor (Quelle: Sidney Paget, 1901)

Sherlock Holmes

Kommen wir nun zu Sherlock Holmes. Sein Erfinder ist der schottische Arzt Sir Arthur Conan Doyle. Nachdem er sich in Edinburgh zum Arzt gemacht hatte, migrierte er nach Reisen in die Antarktis und nach Afrika sowie einer Zeit in Portsmouth 1890 nach London, wo er sich als praktizierender Arzt niederließ. Da der Zulauf in seine Praxis sich schleppend gestaltete, hatte er genügend Zeit, sich dem Schreiben zuzuwenden. So entstand der erste Roman des Sherlock Holmes. „1887, mit 28 Jahren, veröffentlichte er die erste Geschichte des Detektivs Sherlock Holmes und seines Freundes Dr. Watson: A Study in Scarlet (dt. Eine Studie in Scharlachrot).“ (zitiert nach Wikipedia), wobei Dr. Watson ein Afghanistan-Invalide ist.

Sherlock Holmes und Dr. Watson in London (Quelle: Sidney Paget, 1901)

1891 konnte Doyle dann vollständig von der Schriftstellerei leben. Schon 1893 ließ er nach einigen Romanen und Erzählungen dann aber Sherlock Holmes sterben.

Den Ehren-Titel jedoch erhielt er für etwas anderes: im Jahre 1896 ging Doyle nach Südafrika, um im Zweiten Burenkrieg zu kämpfen. Für seine Propagandatätigkeit in seinem 1900 veröffentlichten Buch „The Great Boer War“ (dt.: Der große Burenkrieg) erhielt er 1902 seinen Ehrentitel Sir Arthur Conan Doyle.

1903 wandte er sich dann doch wieder Sherlock Holmes zu und ließ ihn auch literarisch wieder auferstehen im „The Hound of the Baskervilles“ (dt.: Der Hund der Baskervilles). Mit diesem Roman, der z.T. im Dartmoor spielt, hatte er einen sehr großen Erfolg, so dass noch einige Sherlock-Abenteuer das Licht der Welt erblickten.

Der Hund der Baskervilles (Quelle: Sidney Paget, 1901)

In zwei Staffeln entstanden also die Werke um Holmes.  Die Anzahl der Werke, die Doyle schuf ist beachtlich und die Liste lang. Urheberrechtlich ist zu sagen, dass die Werke heute gemeinfrei sind, da Doyle 1930 starb.

Seit den 1920er Jahren wird Sherlock Holmes immer wieder verfilmt. Der Schauspieler Peter Cushings (den manche auch als Grafen Dracula kennen) stellt dabei eine Besonderheit dar. 1959 spielte er die Hauptrolle in dem Farbfilm „Der Hund von Baskerville“. In den 1960er Jahren folgte dann eine 16-teilige BBC-Serie, so dass er der einzige Schauspieler ist, der den Sherlock Holmes zweimal im „Hund von Baskerville“ spielte.

In den sogenannten Sherlock-Holmes-Pastiche-Filmen (Ergänzungen von anderen Autoren) produzierte Warner 2009 und 2011 zwei Filme mit Robert Downey Jr. In der Hauptrolle, die noch im 19. Jahrhundert spielen mit an Doyle vorbei erfundenem Plot.

Einen anderen Weg beschritt die BBC 2010 in der Serie „Sherlock“ mit Benedict Cumberbatch als Holmes und Martin Freeman als Dr. Watson. Man beließ die originalen Plots weitgehend, aber transponierte die Geschichten in die Gegenwart. Heraus kamen dabei zwei brillante Staffeln zu je drei Episoden, in denen ein arroganter Holmes mit einem Afghanistan-Invaliden (das gleiche Afghanistan, aber ein anderer britischer Krieg dort) Dr. Watson wieder kniffelige Fälle löst. (Der Hund der Hund der Baskervilles wird in der zweiten Episode der zweiten Staffel behandelt).

Benedikt Cumberbatch als Sherlock Holmes (Quelle: Fat Les, lizensiert nach nach CC 2.0 US)

Martin Freeman als Dr. Watson (Quelle: Fat Les, lizensiert nach nach CC 2.0 US)

Eine schöne Sammlung von Grafiken zu Sherlock Holmes  findet man im Camden-House in der Pinacotheca Holmensia.

Die Sherlock Holmes Romane und Erzählungen haben die abendländische Kultur geprägt. Das ging so weit, dass sich selbst der Italiener Umberto Eco im Roman „Der Name der Rose“ 1983 an dem Paar Holmes/Watson orientierte. So heißt sein Held „William von Baskerville“ (im Film der Schotte Sean Connery, wie Doyle in Edinburgh geboren) und sein Assistent „Adzon“ (Watson).

Das bekam ich alles im Internet heraus. Da ich nun am und im Dartmoor war, wollte ich es genau wissen und „The Hound of the Baskervilles“ in Englisch lesen …

Mediale Verfügbarkeit von Sherlock Holmes

Ich begann mit meiner Suche in dem einzigen Buchladen in Brixham (der selbst schon schwierig zu finden war). Aber dort gab es kein einziges Werk von Arthur Conan Doyle. Auch in der lokalen Stadtbücherei fand sich kein Werk von ihm. Es sollte bis zur Rückfahrt dauern, dass ich in Cambridge in einer gut sortierten Buchhandlung endlich das Werk fand. (Waterstone’s Booksellers Ltd‎, 22 Sidney Street, Cambridge, CB2 3HG, United Kingdom, waterstones.com).

Zurück in Deutschland fand ich auch ein zweibändiges Werk für unter 20 € mit allen Sherlock-Holmes-Geschichten bei Dussmann und bei Hugendubel, das bei Bantam Classics (heute Random House) in den USA erschienen ist:  Sherlock Holmes. The Complete Novels and Stories.

Während die Versorgung mit Büchern schon schwierig war, war die DVDs noch schwieriger. Schon zu Weihnachten 2011 hatte ich für meine Gattin den Sherlock auf DVD besorgt. Sie hatte aber Staffel 2 haben wollen und ich habe nur Staffel 1 bekommen. Tatsächlich ist es so, dass die Staffel 2 in Deutschland immer noch nicht zu kaufen ist, obwohl sie längst in England ausgestrahlt ist und verkauft wird.

Offenbar hat die ARD die Rechte gekauft und die Werke gar nicht erst auf dem Markt erscheinen lassen. Statt dessen wird am 17.5.2012 die erste Episode der zweiten Staffel um 20:15 Uhr in Deutsch ausgestrahlt (und das auch erst nach Protesten). Die beiden anderen Episoden aber erst an anderen Tagen um 21:45 Uhr (Pfingsten: 27.5. 2012 und 28.5.2012).  Die Ausstrahlung erfolgt also auf einem extrem ungünstigen Sendeplatz, an dem rechtschaffene Menschen schon zur Nachtruhe rüsten. Faktisch ist es also so, dass hervorragende Kunstwerke mit meinen Steuern vom Markt weg gekauft werden und verschlossen gehalten werden, statt steuerfinanzierte Werke der Allgemeinheit ständig zu Verfügung zu stellen.

Einschränkung der Verfügbarkeit von Kulturgütern durch den kulturindustriellen Komplex

Für andere Kunstwerke sieht es noch schlimmer aus: bei dem Film „Das Wirtshaus im Dartmoor“, der in der Edgar-Wallace-Tradition in den 1960ern produziert wurde und das gruselige Image des Dartmoors mit festigte, ist es so, dass man es gar nicht kaufen kann. Bei Amazon heißt es, dass es nicht verfügbar sei, im stationären Handel bei Dussmann sagte man mir, dass es das gar nicht auf DVD gäbe sondern nur als VHS-Kassette gegeben hatte.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es Wirtschaft und öffentlich-rechtliche Sender wie ARD oder auch BBC nicht schaffen, die Bevölkerung im Internetzeitalter mit Kulturgütern angemessen zu versorgen. Im Gegenteil: Kulturgüter verrotten wie das Wirtshaus im Dartmoor. Wir müssen also ein Marktversagen konstatieren. Aber statt sich um eine angemessene Versorgung mit und Erhalt von kulturellen Schätzen zu marktfähigen Preisen zu kümmern, versagen unsere Verwerter aus dem kulturindustriellen Komplex und jammern auf hohem Niveau, dass sie mit den Gegebenheiten im Internet nicht zu Recht kommen. Statt wie Apple tragfähige Geschäftsmodelle zu implementieren, wird die Bevölkerung des Diebstahls geziehen und über 600.000 Menschen per Anwalt in Abmahnungen zu Umsätzen mit Mondpreisen gezwungen, die bereitwillig von beamteten Staatsbediensteten aus der Justiz eingezogen werden, statt für gute Leistungen auf dem Markt einen angemessen Preis zu erzielen. Diesem Marktversagen und der Unfähigkeit der Wirtschaft, preiswert Güter bereitzustellen, muss offenbar vom Staat ein Ende gesetzt werden.

Ganz anders sieht es im Internet aus. Selbstverständlich findet man dort die zweite Staffel von „Sherlock“ in der BBC-Fassung, wenn auch nur in Englisch. Selbst das Wirtshaus in Dartmoor findet man dort versteckt in einer 36 GB (36 Gigabyte) großen Edgar Wallace Sammlung.  Freiwillige im Internet schaffen, was dem kulturindustriellen Komplex nicht gelingt. Bei Portalen wie kinox.to, movie2k.to oder kinokiste.com findet man das, was Wirtschaft und Staat nicht bereitstellen können oder wollen.

Im Berliner Tagesspiegel heißt es dazu:  „Wer es gewohnt ist, im Internet jederzeit auf alle Informationen und Produkte zurückgreifen zu können, die er sich wünscht und/oder bestellen möchte, kann nur schlecht nachvollziehen, warum er ein halbes Jahr warten muss, bis er einen gerade gestarteten Kinofilm legal im Internet oder auf DVD anschauen kann.“ (Thomas Bohn „Erleichtert das Downloaden!“).

Christopher Lauer, Piratenpartei, Abgeordneter im Berliner Abgeordnetenhaus, meint zur schlechten Performance der Anbieter in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ): „Warum kann ich in einer Welt, in der sich Nachrichten via Twitter global in Windeseile verbreiten, eine amerikanische Fernsehserie zum Zeitpunkt ihrer Ausstrahlung nicht im Deutschen iTunes-Store kaufen? Der Vertrieb ist aber nicht Aufgabe von Urhebern und Konsumenten, er ist Aufgabe der Inhalteanbieter.“

Sieht man sich die vielen weiteren Werke an, die von Steuern produziert wurden (wie zum Beispiel auch die Serie „Tudors“ der BBC), ist man fassungslos, mit welcher Dreistigkeit, der Markt blockiert wird von den Distributoren und Kulturgut zurückgehalten wird oder gar verschlampt wird, wie wir es beim Wirtshaus im Dartmoor gesehen haben.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es eine kulturelle Schande ist, wie Kulturgut sowohl bei Büchern als auch bei Filmen mit Füßen getreten wird, es vor der Bevölkerung versteckt wird und dann noch hämisch Künstler vom kulturindustriellen Komplex agitiert werden, darüber zu jammern, dass sie von den Verwertern zu schlecht bezahlt werden, die ihre Werke vor der Bevölkerung verstecken.

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete (SPD und Piraten) Jörg Tauss ist in seinem Urteil noch härter: „Denn der Gegenseite geht es nicht darum, tatsächliche Probleme des Urheberrechts und verwandter Rechtsgebiete sachlich zu debattieren und zu lösen. Sie will notwendige Veränderung bis hin zu Open Access im Wissenschaftsbereich verhindern. Sie will Universitäten von der digitalen Welt abschotten, Schulhöfe kriminalisieren und mit Abmahnung und Prozessiererei digitale Inhalte in Lehre und Unterricht verhindern. Es geht nicht “nur” um Musik. Der Versuch des Schultrojaners war hierzu ein neues Lehrstück.“

Was die Industrie den Künstlern und der Bevölkerung antut, ist eine kulturelle Schande. Durch die radikale Verknappung des Angebotes wird es prekär existierenden Künstler noch schwerer gemacht von ihren Werken zu lesen. Auch wenden sich manche Konsumenten dann eher älteren Werken zu,  bei denen 70 Jahre nach dem Ableben das Urheberrecht erlischt und die Werke im Internet kostenlos verfügbar sind, wie wir es bei Arthur Conan Doyle im Projekt Gutenberg (der mit dem Buchdruck, nicht der Dissertationsbetrüger aus der CSU) in Deutsch sehen oder etwa in der University of Virgina in Charlottevilles, USA, für umfangreiche englische Literatur, wo wir auch den vollständigen „The Hound of the Baskervilles“ finden. (Für die Kulturästheten: Der Staat Virginia bekam von dem Eroberer Sir Walter Ralegh seinen Namen nach der Königin Elizabeth I, der „Virgin Queen“ Elizabeth Tudor, die ihr Leben lang unverheiratet blieb, den Piraten Sir Francis Drake zum Staatsdiener machte und Förderin von dem wohl größten Dichter aller Zeiten William Shakespeare war ).

Eslisabeth Tudor als Elisabeth I, Königin von England, (auch "Virgin Queen" genannt) im Armadaporträt von 1588 (Quelle: George Gower (1540–1596), gemeinfrei)

Christopher Lauer sagt in seinem oben erwähnten FAZ-Artikel, dass es richtig war, kino.to und Megaupload zu schließen. Ich halte das für falsch aus zwei Gründen: 1.) Sieht man an kinox.tokinokiste.com und moivie2k.to sinnlos war. Recht, das man nicht durchsetzen kann, ist kein Recht. Und 2.) zeigt das Beispiel des Piratensenders Veronica, dass es manchmal sinnvoll sein kann, für eine Zeit auch mal zu experimentieren, bis man ein tragfähiges Geschäftsmodell gefunden hat. Bei Megaupload hatte es sich abgezeichnet, dass Konsumenten bereit waren, eine Flatrate für kostenpflichtige Premiumzugänge zu bezahlen, wenn sie ordentlich, zeitnah mit guter Performance mit Kultur versorgt werden. Es sieht aber so aus, als wenn die Preiselastizität derzeit vollkommen unelastisch ist und echte erzielbare Preise  weit niedriger lägen als die Mondpreise der des kulturindustriellen Komplexes, die außerhalb des Marktes über den Staat mit der Justiz in Abmahnverfahren versucht werden zu erzielen. Hier werden wir andere ökonomische Modelle als bisher brauchen, um die Unterversorgung der Bevölkerung mit Kultur durch die Verhinderungsstrategie der Inhalteanbieter zum Schaden von Künstlern, Bürgern und Staat (entgangene Steuern) aufzubrechen.

Die verengte Sicht von Wolfgang Michal, der sich am sogenannten „geistigen Eigentum“ abarbeitet, das sich nicht mit unserem Sachenrecht des Eigentums zur Deckung bringen lässt und zudem die Sozialbindungspflicht des Eigentums nach Artikel 14 Grundgesetz völlig außer Acht lässt, ist da wenig hilfreich.

Politisch sollten wir nicht alles in einen Topf werfen, sondern Segment für Segment betrachten und vielleicht Probleme lösen. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk möchte ich daher einen Vorschlag machen, der sowohl Künstlern hilft eine größere Verbreitung zu finden als auch Bürgern ein Quell sein kann für bessere Völkerverständigung mit unseren europäischen Nachbarn.

Mein Vorschlag für öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Für die Finanzierung von Künstlern habe ja schon in meinem letzten Beitrag zum Ursprung der „Kostenlos-Kultur“ Ansätze skizziert. Hier sei nun ein weiterer Vorschlag zur Weiterentwicklung des europäischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemacht, um die Versorgung der Bevölkerung mit Kulturgütern zu verbessern.

In Deutschland werden die öffentlich-rechtlichen Anstalten durch Rundfunkstaatsverträge geregelt. Zur Finanzierung von diesem Rundfunk und Fernsehen wurden bisher Gebühren durch die GEZ  erhoben, die davon abhängig waren, ob im Haushalt Geräte vorhanden waren, die eine Nutzung ermöglichten. Die Nutzungsabhängigkeit ist aber aufgehoben, und umgestellt auf eine nutzungsunabhängige Haushaltsabgabe, also eine Steuer.  Die GEZ weist in ihrem Geschäftsbericht für 2010 aus, dass die ARD  in 2010 aus den Gebühren Gesamterträge inkl. Landesmedienanstalten-Anteile von  5,25 Mrd. € hatten und das ZDF 1,827 Mrd. € hatten. Der ZDF Jahresabschluss 2010 z.B. weist zusätzlich 123 Mio €. Erträge aus dem Werbefernsehen aus.

Nach den Full Financial Statements 2010/2011 hatte BBC in 2011 aus den Licence Fees 3,513 Mrd. £ (4,337 Mrd €)  Erlöse und sonstige Erlöse von 1,48 Mrd. £ (1,83 Mrd. €, hauptsächlich Werbung) sowie einen Gewinn von fast einer halben Milliarde £ (600 Mio. €). Im Gegensatz zu Deutschland ist der Auftrag der BBC zeitlich befristet (derzeit bei 2016). Die Licence Fee wird als Steuer angesehen, Nichtbezahlung als Straftat geahndet und von der BBC eingezogen.  Für eine Farbfernsehlizenz muss ein Haushalt 145,50 £ pro Jahr (rund 15 €/Monat) bezahlen.

Mit den Steuereinnahmen und den Werbeeinnahmen (die auch letztlich vom Verbraucher bezahlt werden, wenn sie die beworbenen Produkte kaufen) produzieren die öffentlich-rechtlichen Anstalten in beiden Ländern z.T. hervorragende Produkte. Alle an den Produktionen Beteiligte (Schriftsteller, Musiker, Schauspieler, Techniker, Verwaltung)   können von ihren Vergütungen angemessen leben. Also wäre es doch denkbar, dass die Sender nach Erstausstrahlung ihre Produktionen denen im Internet zur Verfügung stellen, die dafür bezahlt haben. Für ein Zusammenwachsen der Völker in Europa wäre es förderlich, wenn sich die Völker über die jeweils anderen im Internet jederzeit umfassend informieren könnten, wenn also die Werke aus den einzelnen Ländern in einem gemeinsamen Topf, also dem Internet, landeten. Ein Deutscher könnte seine Englischkenntnisse verbessern, wenn er den Sherlock direkt nach Erstausstrahlung (oder auch während der Ausstrahlung über Internet) sehen könnte. Die Deutschen könnten auf diesem Weg anderen Völkern an ihren „Tatorte“  partizipieren lassen.

Raub der Europa von dem Venezianer Tizian, 1490-1576 (Quelle: gemeinfrei)

Hier gilt es, nationale Hemmnisse zu überwinden, kulturhemmende Barrieren zu schleifen. Wer, wenn nicht wir Mitteleuropäer, wäre dazu in der Lage? Wir haben in Deutschland schon die Kleinstaaterei mit den 39 Staaten aufgehoben, die Zölle geschleift, auf dem Festland eine einheitlich Währung geschaffen, im EU-Parlament auch gemeinsame Politik angefangen. Warum sollen wir das friedliche Zusammenleben der Völker nicht auch im kulturellen Bereich fördern?

Raub der Europa von Peter Paul Rubens, niederländischer Maler 1577-1640 (Quelle: Kopie von Tizian, gemeinfrei)

Der Raub der Europa, der von Peter Paul Rubens nach dem Original Tizians kopiert wurde, zeigt den Unterschied zwischen dem kulturindustriellen Komplex und der Zivilbevölkerung. Der kulturindustrielle Komplex wurde heute Rubens unflätig als „Raubkopierer“ beschimpften, der sogenanntes „geistiges Eigentum“ „stehlen“ würde. Die bürgerliche Zivilgesellschaft sieht in Rubens dagegen einen großen Künstler, dessen Werte sie hoch schätzt. Woebi selbst die Reproduktion der Rubenskopie noch 66,22 € kostet.

Mut zur Zukunft

Zum Schluss sei gesagt, dass ein Auslandsaufenthalt immer hilfreich ist, um auch andere Standpunkte zu erkennen. Es ist schon absonderlich, dass fast nur in Deutschland eine exzessive Diskussion über das Urheberrecht geführt wird mit dem Effekt, die Verhinderung der Verbreitung  von Kultur zu rechtfertigen. Sie ist aber auch analog zu der nationalen Absonderlichkeit, dass nur in Deutschland sich die Verwaltung von Bürgern und Wirtschaft hinter einem Wall von QualSig, neuem Personalausweis und DE-Mail in der Trutzburg verrammelt und das Internet faktisch ausgesperrt, während in USA, UK oder Holland für die rechtsverbindliche Kommunikation mit dem Staat eine einfache E-Mail ausreicht. Was gärt da in uns Deutschen, dass wir uns für so besonders und anders halten?

Für die, die es noch rechtzeitig erreicht, wünsche ich gute Unterhaltung bei der für GEZ-Flatrate-Zahler kostenlosen Ausstrahlung der zweiten Staffel der BBC-Serie Sherlock! (See the BBC-Trailer for Season 2 on YouTube)

 

Update 18.5.2012: In der ARD Mediathek ist die Folge „Ein Skandal in Belgravia“ täglich von 20:00 Uhr bis 6:00 Uhr zu sehen (angeblich wegen Jugendschutz, aber offenbar geht der ARD die Jugend in anderen Zeitzonen am Arsch vorbei in ihrem deutschnationalen Internetauftritt.)

Die Zeitschrift Chip sagt, dass man die Filme der Mediathek auch als Flashvideo (*.flv) mit einem Tool downloaden kann, um die Sendung auch um 6:30 Uhr sehen zu können, wenn die Kinder unter 12 noch schlafen.

Ende.

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7 Antworten auf Sherlock Holmes, das Dartmoor und das Urheberrecht

  1. Eleonore sagt:

    Zum einen finde ich die Moffat Serienvariante von Dyles Sherlock einfach umwerfend und zum anderen stimmt es wohl, dass die Kulturverwalter, Inhaber, Schaffenden wirklich die Nachfrage nur ungenügend befriedigen können, obwohl immer mehr Menschen für digitale Güter Geld zahlen wollen.

  2. cef sagt:

    guten morgen,

    sehr interessant und beeindruckend. ein wie ich finde spannender und anregender artikel!

    liebe grüße an die familie

  3. Rob sagt:

    In diesem Zusammenhang finde ich es ja bemerkenswert, daß wir Kulturgüter von unseren GEZ-Geldern schaffen, die wir unseren der deutschen Sprache mächtigen Nachbarn in Ländern wie Österreich, Liechtenstein oder der Schweiz kostenlos zur Verfügung stellen, während umgekehrt diese Länder die eigenen Programme über Satellit verschlüsselt ausstrahlen. Wer nicht in Deutschland lebt, der hat es halt mal wieder besser, denn er spart sich auch noch die GEZ-Steuer und kann trotzdem alle deutschen öffentlich-rechtlichen Sender (viele davon in Half-HD) empfangen.

    Übrigens gibt es auch für Mac OS X Anwender ein kostenloses Programm (Spenden an den Programmierer sind willkommen) namens Mediathek, mit dem man ganz komfortabel die in den öffentlich-rechtlichen Mediatheken enthaltenen Sendungen im MP4-Format finden und herunterladen kann. Wegen der Beschränkung auf meist nur 7 Tage Speicherdauer ist das auch dringend nötig.

    Die Frage, warum man jenen, die viele Kulturgüter bereits bezahlt haben, diese nicht dauerhaft kostenfrei zur Verfügung stellen kann, läßt sich ganz einfach beantworten: weil man mehrfach abkassieren will. Das ist doch das Hauptproblem am Urheberrecht, daß man für mehrfaches Ansehen oder Anhören eines Stückes oder Filmes auch gefälligst mehrfach löhnen soll. Oder man bezahlt überteuerte Preise, um sich einen Datenträger zu leisten, den man aber wegen eines besonders „effektiven“ Kopierschutzes nicht mal kopieren darf, so daß man im Falle eines Verlustes oder Defekts durch eigenes Verschulden erneut kaufen muß. Die Geldgier regiert die Welt und das Urheberrecht. Faire Entlohnung ja, aber Mehrfachentlohnung nein!

    Man stelle sich nur mal vor, man hat Eintritt für das Van Gogh Museum in Amsterdam bezahlt und darf sich dann nur die zuletzt entstandenen Werke innerhalb einer halben Stunde ohne Aufpreis ansehen, während die früheren Werke von Van Gogh nur gegen Zusatzgebühr sichtbar sind. Danach bekommt man jedes Bild nur dann zu Gesicht, wenn man jedes Mal ein Extragebühr bezahlt. Sobald man sich umdreht oder nur zu Seite sieht, muß man erneut bezahlen. Und natürlich ist die Dauer, mit der man das Bild betrachten kann, zeitlich begrenzt. Absurd? Nicht wirklich, wenn man sieht, was die öffentlich-rechtlichen Sender vorhaben bzw. heute schon tun. Vincent van Gogh rotiert vermutlich in seinem Grab in Auvers, wenn er mitansehen muß, wie heute andere Millionen mit seinen Werken verdienen. Ich bin mir nicht sicher, ob er damit einverstanden wäre.

    In England z.B. wird für alle öffentlichen Museen keinerlei Eintrittsgebühr erhoben. Ach England, was hast du es schön, daß du deine Kulturgüter deiner Bevölkerung und auch ausländischen Besuchern kostenfrei zugänglich machst! Da wird man als Besucher einfach nicht kriminalisiert, nur weil man Kultur ohne Bezahlung genießt, und trotzdem ist man in der Lage, durch Spenden und staatliche Unterstützung nicht nur die Kulturgüter zu erhalten, sondern auch die Museen zu betreiben und die Angestellten zu bezahlen. Eine klassische Win-Win-Situation, wie man heute sagt.

  4. Alexander sagt:

    Lieber Autor,

    statt darüber zu lamentieren, dass die bösen bösen Medienunternehmen nicht jeden jemals gezeigten Film in einer schönen, da digital bearbeitenten, hochauflösenden Fassung zur Verfügung stellen, sollten Sie mal auch in betracht ziehen, dass dieses Arbeiten mit einem erheblichen Kosnte- und Zeitaufwand verbunden isnd.

    Und ja, auch der „Kauf“einer englischen Serie ist mit weiteren Kosten, nämlich der Synchronisation verbunden. Die Übersetzung und die Synchronisation sind beides schöpferische Werke, die wiederung dem urherbrecht unterfallen.

    Und was deine Ansicht an geht, dass die BBC die „Kulturgüter“ kostenfrei zugänglich macht, ist das schlicht falsch. Wenn ich auf der BBC-Seite mir etwas ansehen will, bekomme ich die Mitteilung, dass der gewünschte Inhalt nciht für meine Land nahnd der IP-Adresse freigegeben ist.

    Das der ARD aus Jugendschutzgründen Kinder anderer Zeitzonen egal sind, mag daran liegen, dass der den Jugnedschutz statuierenden Rundfunkstaatsverrtag und das die Jugendschutzgesetz ihre Grenze an der deutshen Staatsgrenze haben.

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  7. Peter sagt:

    Es ist noch immer ein Märchen, dass die Konsumenten über die in den Produkten enthaltenen Werbekosten werbefinanzierte Programme mitbezahlen, denn da dämpft die Konkurrenz den Preis deutlich, während es in Deutschland nicht möglich ist, sich eine preiswertere GEZ auszusuchen. Wer viel wirbt, verkauft höhere Stückzahlen und das senkt bekanntlich den Preis. Bitte nicht freie unternehmerische Entscheidungen mit den Zwangsapparaten des Staates in einen Topf werfen! Die eigentliche Schande in Deutschland ist, dass man auch diesem „Kulturbetrieb“ nicht aussteigen kann, auch wenn man ihn als zu teuer und zu schlecht empfindet. Daraus resultieren dann die Frechheiten, die der Autor hier beklagt.

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