Die Welt mit Google-Earth erforschen

Als ich vor einigen Jahren anfing, mit Google-Earth™ zu experimentieren, hatte ich eine Windows-Maschine mit einem 1-Kernel-Prozessor und eine 6.000 kBit/s-DSL-Leitung. Google war schon damals aufregend. In der angebotenen Sightseeing-Tour konnte man durch den Grand Canyon fliegen, wobei sich das dreidimensionale Gebirge ringsherum noch langsam aufbaute. Der Killer war die Südspitze von Manhatten, New York City. Es dauerte mehrere Minuten, bis sich die dreidimensionalen Gebäude aufbauten und ständig kamen neue Aspekte hinzu. Wenn man die Maus bewegte, konnte man Kaffee kochen gehen.

3D-Modelle

Damals habe ich das erste Mal die Verbotene Stadt in Peking gesehen und konnte mir im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild machen (Hinweis zum Ansehen: bei manchen Browsern kann man über die rechte Mäusetaste das JPG-Bild sich alleine anzeigen lassen und dann vergrößern oder man klickt einfach auf das Bild, damit es größer wird):

Die 3D-Modelle werden mit Google Sketch Up™ „gezeichnet“ und können von jedermann eingebaut werden.

Heute habe ich eine 4-Kernel-Maschine und 16.000 kBit/s-DSL. Da macht es Spass, die Welt sich anzusehen mit Google Earth™ anzusehen. Manhatten ist jetzt gut erforschbar.

Hier sieht man die nach 9/11 verbliebene Skyline von Manhattan. Rechts ist die Brooklyn Bridge über den East River, links den Hudson River. Hinten links kann man noch den Central Park  erkennen. Zwischen den Scyscrapern dort und Südmanhatten ist die Bebauung nicht ganz so hoch.

Satellitenfotos

Man kann in Google Earth™ New York aber auch in der klassischen Satelliten-Foto-Ansicht erforschen, wie hier am Beispiel der Stockholm Street in Queens gezeigt:

Plant man eine Urlaubsreise, kann man sich zum Beispiel von der Umgebung der ausgesuchten Unterkunft ansehen, ob es genügend Versorgungseinrichtungen und Nahverkehrsmöglichkeiten gibt. Hier auf dem Bild sieht man direkt unter dem Schriftzug „Stockholm Street“ eine katholische Kirche, die sonntags 5 spanische, 2 polnische und 2 englische Gottesdienste anbietet. Links sieht man vor einem Tennisplatz einen Supermarkt mit Parkplatz.

Streetview-Integration

Aber Google Earth™ hat auch Street View integriert, so dass man auch Fotos am Boden sehen kann:

Damit kann man das Ambiente der Siedlung erahnen, ohne zu tief in die Privatheit der Anwohner eingedrungen zu sein. Man kann die Namen auf den Klingelschildern, die Gesichter von Personen und auch die Autokennzeichen nicht erkennen.

Historische Gebäude – außen und innen

Venedig war einer der ersten Städte, deren Bebauung vollständig im 3D-Modell abgebildet waren. Hier sieht man den Markus Platz mit Dogenpalast im Vordergrund:

Mittlerweile sind sehr viele Städte mindestens mit ihren Innenstädten in 3D verfügbar. Man kann das aber noch steigern. Freunde der Literatur, die durch den Roman „Die Kathedrale des Meeres“ von Ildenfonso Falcones angeregt worden sind, einen Blick auf die gotische Kirche Santa Maria del Mar in Barcelona zu werfen können dies in Google Earth™ tun:

Man sieht, wie eng die 1329 erbaute Kirche heute zwischen anderen Gebäuden eingepfercht ist. Aber es gibt noch etwas besonderes. Man kann in einem Panorama-Foto die helle Pracht der Basilika von innen besichtigen:

Deutlich erkennbar ist die Lichtflut im Inneren der Kirche, wie sie für gotische Kirchen üblich war. Heller Stein und große Fenster. Im Kölner Dom ist durch den dunklen Stein und die eher dunklen Fenster dieser Effekt nicht mehr sofort nachvollziehbar.

Interface von Google Earth™

Ein Wort noch zum Interface von Google Earth™. In der Abbildung sieht man verschiedene Bereiche. Der größte Bereich ist für die Karte. Man sieht, wie Google startet: die ganze Welt ist zu sehen. Hier sogar mit aktuellem Wetter: über den Atlantik kommt ein Tiefdruck-Wirbel nach Europa: Sommer-Wetter 2011. Rechts sieht man Knöpfe zum Navigieren. Man kann diese Regler benutzen oder eine Maus (mit zwei Knöpfen und Drehrad). Im dreidimensionalen Raum braucht man eine gewisse Zeit, bis man routiniert navigieren kann (das ist wie beim Fliegen mit dem Microsoft® Flight Simulator).

Links oben findet man eine Kamerafunktion, um eine Sitzung aufzuzeichnen. Meist unbeachtet ist ein Zeitschieberegler. Dort kann man wie in einem Videofilm einstellen, aus welcher Zeit man Daten sehen will. Das wird m.E. der spannendste Aspekt werden: will man Rom zu Caesar’s Zeiten sehen oder zu Michelangelos Zeiten? Nun nicht gerade Satellitenaufnahmen (zumindest sind die Satellitenfotos des Imperium Romanum noch nicht von Archäologen entdeckt worden), aber unterschiedliche 3-D-Modell der zeitzugehörigen Gebäude.

Links sieht man dann die üblichen Regler für die Suche, Routenfindung, Bookmarks, selbst geladene KMZ-Dateien (das sind lokale Dateien, die man lokal zusätzlich einblenden kann), die Sightseeing-Tour usw. Unten links dann die Datenebenen, die ständig wachsen, aber eben übersichtlich ein- oder ausgeschaltet werden können.

Verkehrsdaten

Einer der jüngsten Datenebenen sind aktuelle Verkehrsinformationen. Google misst die Standorte von Android-Smartphones (veraltet: Handys) und gewinnt damit einen Überblick über die Verkehrsdichte in vielen Staaten der Erde.

Das Bild zeigt eine aktuelle Situation sonntags Nachmittag in der Sommerferienzeit. Grüne Punkte bedeuten, der Verkehr fließt zügig, an gelben Punkten fließt er zäh, an roten fast gar nicht (z.B. nördlich von Düsseldorf) oder an schwarzen steht er (westlich von Witten). Google aktualisiert die Daten alle 10-15 Minuten.

Webcams

Ein weiteres Beispiel für Live-Daten sind die Webcams, die man sich einblenden lassen kann.

Das hat nichts zu tun mit den Jahre vorher aufgenommen Bildern in Street View, sondern zeigt aktuelle Webcam-Aufnahmen, die Nutzer irgendwo auf der Welt zur öffentlichen Nutzung zur Verfügung stellen.

3D im Gelände

Nicht nur Gebäude können in 3D abgebildet werden, sondern das gesamte Gelände. Im einfachsten Fall nimmt Google die Höhenkoordinate, zieht die Oberfläche entsprechend hoch und legt als Textur das normale Satellitenfoto auf. Das sieht dann etwas verzerrt aus, aber gibt einen guten Eindruck von der Morphologie. Das folgende linke Bild zeigt die Google 3D-Synthetik vom schottischen Loch Ness, da rechte ein Foto von dem Standort. Im Google-Bild sieht man rechts ganz unten den Standort der Webcam, die das rechte Bild aufgenommen hat und das über Google erreichbar. ist.

 

 

 

 

Globale Recherche

Für Schriftsteller wird durch Google das Leben schwerer. Ein Beispiel liefert die Insel Gotland in der Ostsee. Zu Beginn der Hanse war in der Hauptstadt Visby der wichtigste Hafen für die Seefahrer, die sich an den Küsten Schleswig-Holsteins, Dänemarks und Schwedens entlang schlichen, um dann von Gotland möglichst nahe an der Küste nach Reval, Riga und andere durch den Deutschen Orden christianisierte und besetzte Gebiete zu gelangen. Der schwedische Schriftsteller Håkan Nesser beschreibt in seinem Roman „Gotland“ (Original „Blot“) neben einem grausigen Verbrechen in Mittelgotland, das die Kriminalpolizei aus Visby aufklärt, eine kleine, öde Insel östlich von Gotland. Dort wird in einer Szene davon erzählt, dass auf der öden Insel zwei alte Leuchttürme seien. Diese findet man recht leicht mit Google:

Man sieht in der Satellitenaufnahme die beiden Leuchttürme und ihre Schatten. Ähnlich geht es, wenn man den Spuren des Baumeister Attilius in Robert Harris Roman „Pompeji“ folgt. Man findet in Google um den Vesuv herum die Reste der Aqua Augusta. Das ist das Aquädukt, das die Stadt Neapel in antiker Zeit mit Wasser versorgte und das in dem Roman eine wesentliche Rolle spielt. Hier gibt es dazu Fotos in Panoramio.

Wenn die US-Autorin Elisabeth George in ihrem Kriminalroman „Wer dem Tode geweiht“ den britischen Nationalpark New Forest beschreibt, in dem Ponys in freier Wildbahn leben, dann hilft heute nur noch „akribische Recherche“, wenn man es wegen der äußeren Umstände nicht mit den Lesern verscherzen will. Fiktion darf dann nur noch sein, was sich in den Köpfen der Handelnden abspielt. Geographische Genauigkeit wird dagegen vorausgesetzt.

Natürlich sind in den reichhaltigen Layern noch viele, viele weitere Informationen verlinkt. So findet man haufenweise georeferenzierte Wikipedia-Artikel . Jedermann kann auch seine Fotos über Panoramio hochladen und in Google Earth™ verlinken.

Auch auf dem Mars

Letztlich soll nicht unerwähnt bleiben, dass Google Earth™ sich nicht auf die Erde beschränkt, sondern auch für den Mars geeignet ist. Wie ich in der langen Nacht der Wissenschaften 2011 auf dem Geo-Campus der Freien Universität Berlin in Lankwitz bei den Geologen dort erfuhr, ist die FU an einem Projekt betieligt, an dem auch EADS, die European Space Agency (ESA), die DLR (Deutsche Gesellschaft für Luft und Raumfahrt) arbeiten, das eine hochauflösende Kamera (High-Resolution Stereo Camera) in der Mission Mars Express oben hat. Bilder von der Kamera sind auch in Google Earth™ eingearbeitet:

Die Anregung dazu muss wohl von Ingo Insterburg in den 1970er Jahren gekommen war, wo der Barde sang:

„Ich liebte ein Mädchen in Lichterfelde,
die lebte zu lange von meinem Gelde.

Doch dann wurde es mir in Deutschland zu klein,
drum zog ich in die Welt hinein.

Doch dann wurde es mir auf der Welt zu klein,
drum zog ich in den Himmel rein.
Ich liebte ein Mädchen auf dem Mars,
ja das war’s.“

Hier das ganze Lied in YouTube:

Ausblick

Google Earth™ ist die faszinierendste Technologie für georeferenzierte Datenverarbeitung. Nicht lokal, sondern global ausgerichtet, hat man in einigen Entwicklungsschritten 3D in Gelände und Gebäude erschlossen, Fotos von Webcams, Street View und Kunden integriert, eine Fülle von Daten auf vielen, vielen Layern ansehbar gemacht und neuerdings noch Livedaten wie die vom Straßenverkehr integriert. Einerseits macht es Google nun dem Wettbewerb schwer, hier noch auszuschließen (was man aber kartellrechtlich ordnen kann), andererseits hat Google hiermit der Menschheit einen Informationsmaschine von unschätzbarem Wert kostenlos zur Verfügung gestellt. Ich vermute, dass die Nützlichkeit von Google Earth™ noch weiter steigen wird, wenn sich Raum- und Zeitinformationen noch mehr akkumulieren. Fraglich wird sein, ob man noch Projekte mit Geodaten unterhalb von Google-Möglichkeiten anfangen wird.

Ich glaube, auch die öffentliche Verwaltung täte gut daran, sich an Google zu orientieren. Auf der einen Seite sind viele Dinge schon fertig, die man außerhalb von Google erst mit Millionenaufwand erst erstellen müsste und andererseits reichen Freizeitwege für Wanderer und Radfahrer in Bayern im gpx-Format für spezielle GPS-Hardware nicht (Ich weiss nicht, was gpx ist, aber ich habe Anwendungen gebaut, die ganze Datawarehouses geeigente auf Maps von Google oder Bing gemappt haben)). Wir sind dann sind wir zu langsam, wie Franz-Reinhard Habbel in seinem Webcast vom 24.11.2010 oder ich in meinem Artikel „E-Governement, quo vadis?“ ausgeführt haben. Carsten Köppel vom Behördenspiegel sagt in seinem Artikel „Was kostet Open Data die Verwaltung? Eine Betrachtung am Beispiel von Geodaten“ dass wir mehr Wohlstand schaffen könnten, wenn die öffentlichen Hände Geodaten freizügiger einer Verwendung zuführen würden, als sie bundesweit mit kümmerlichen 24 Mio € in einem ganzen Jahr zu verkaufen. Ich glaube, zu diesem Thema werde ich noch einen extra Artikel schreiben.

Wer jetzt noch mehr über Google Earth™ erfahren will kann es sich hier downloaden oder dort sich weitere Informationen ansehen.

Disclaimer: Ich bekomme von Google kein Geld dafür, dass ich hier für die schwärme. Ich finde das einfach geil, was die machen und wie die unser Leben kostenlos bereichern.

Ende

Dieser Beitrag wurde unter E-Government, Geo abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

10 Antworten auf Die Welt mit Google-Earth erforschen

  1. Heiko Schlichting sagt:

    Hallo Wolfgang,

    die Begeisterung für Google Earth teile ich. Sachen, die früher kaum vorstellbar waren, sind heute möglich, einfach zu bedienen und für jedermann kostenlos verfügbar. Und obwohl ich bestimmt nicht fortschrittsfeindlich bin oder dem Verfolgungswahn verdächtigt werde, machen mich Sätze wie

    Google misst die Standorte von Android-Smartphones und gewinnt damit einen Überblick über (…) viele Staaten der Erde.

    unruhig. Sind die Daten in guten Händen? Wer misst noch, wo wir uns aufhalten? Was kann man mit der Information, wo sich alle (Mobiltelefon-besitzenden) Menschen aufhalten, alles anfangen als Firma, als Arbeitgeber, als Staat, als Krankenversicherung, als Black Hat?

    Werden wir in einigen Jahren alle (freiwillig?) eine Menge Sensoren mit uns herum tragen, die messen, ob wir uns auch genug bewegen, ob wir uns gesund ernähren und Sport machen, ob wir krank oder müde sind, ob wir Leistung bringen, was wir sehen, was wir sprechen? Unsere Gedanken wird man so schnell nicht lesen können.

    Genug der Zukunftsängste – lieber noch etwas an Google Earth erfreuen und an die „guten alten Zeiten“ des Computers zurückdenken, in den wir uns kennengelernt haben.

    Heiko

  2. Heiko Schlichting sagt:

    Oh, kein Preview und keine Edit-Funktion für die Kommentare. Dann hätte ich meinen Text besser rechtzeitig nochmal gelesen, um die grammatikalischen und orthographischen Schnitzer zu tilgen. Jetzt musst Du mit fehlenden Wörtern und vielen anderen Fehlern im Kommentarbereich Deines Blogs leben.

    Heiko

  3. woksoll sagt:

    Hallo Heiko,
    schön von Dir zu lesen 🙂
    Ich war auch irritiert, als ich las, dass Google die GPS-Daten von Android-Handys benutzt. Aber anders als Apple mit den von Dritten gefundenen Tracking-Daten hat Google das vorher gesagt:
    „But for us to really make it work, we had to solve problems of scale (because you can’t get useful traffic results until you have a LOT of devices reporting their speeds) and privacy (because we don’t want anybody to be able to analyze Google’s traffic data to see the movement of a particular phone, even when that phone is completely anonymous).“
    http://googleblog.blogspot.com/2009/08/bright-side-of-sitting-in-traffic.html
    Ich glaube denen das. Ansonsten hast Du völlig recht, das wir im Auge behalten müssen, wer uns alles tracken möchte.

    Liebe Grüße, Wolfgang
    P.S.: Soll ich die Typos sanft korrigieren?
    P.S.2: Gibt es ein Plugin für WordPress für Kommentarpreview?

  4. Heiko Schlichting sagt:

    Hallo Wolfgang,

    ja, bitte übernimm die Aufgabe des Editors und korrigiere meines verunglückten Kommentar. Ich war davon ausgegangen, dass mir das – ähnlich zu Wikipedia – nochmal präsentiert wird und ich dann selbst Fehler entfernen kann.

    Zu WordPress-Plugins kann ich Dir allerdings nichts sagen. Wenn ich Zeit habe, programmiere ich nach wie vor lieber in Perl als der Welt meine (nicht so genialen) Weisheiten mitzuteilen. Lies: Bislang unterhalte ich kein Blog und da meine journalistischen Fähigkeiten eher überschaubar sind, plane ich auch nicht, dieses zu ändern. Aber ich würde vermuten, dass es ein solches Plugin gibt.

    Ich freue mich über die Artikel in Deinem Blog. Richtiger Umfang, gut zu lesen, schön gemacht und nette Themen. Der RSS-Feed hat es in die Konfiguration meines Website-Watchers geschafft.

    Schöne Grüße aus Dahlem,
    Heiko

  5. Pingback: Gotische Kathedralen: ein Open Data Projekt? | WK-Blog

  6. Pingback: Gotische Kathedralen – ein Open Data Projekt? | KoopTech

  7. Pingback: E-Government in der Trutzburg: das Rheingold? | WK-Blog

  8. Pingback: Sherlock Holmes, das Dartmoor und das Urheberrecht | WK-Blog

  9. Pingback: Gotische Kathedralen: der Xantener Dom – Open Data? | WK-Blog

  10. Olivia sagt:

    Ich habe mich erst letztens dabei ertappt, wie ich via Google earth mir bisher unbekannte Gefilde entdeckt haben. Sightseeing einmal anders – wird bestimmt bei einer wachsenden Zielgruppe gut ankommen und hat absolut Zukunft. Mit der Maus geht es nun rund um die Welt und mit dem Kaffee in der Hand quer durch Amerika. Das macht Lust auf Meer!

Schreibe einen Kommentar zu Heiko Schlichting Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.